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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Autoren: Bernhard Hennen
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eine frömmere Seele als mich hier im Dorf.«
    Das Gespräch der Bauern am anderen Tisch verstummte. G o lo saß mit dem Rücken zu ihnen, doch er konnte förmlich sp ü ren, wie sie jetzt die Hälse reckten und ihre Ohren spitzten.
    »Wißt Ihr, Freund, ich bin auf der Flucht. Ohne mein eigenes Verschulden hat der Himmel mich mit einem großen Unheil gestraft. Kurz nach dem Christfest war ich in Worms am K ö nigshof der Burgunden. Ich hatte dort ein Geschäft zu tätigen. Hab ’ ein bißchen Vieh verkauft … König G u nther bewirtete ein paar sächsische Gesandte, und ich sag ’ Euch, die Kerle haben ihm förmlich die Haare vom Kopf gefressen. Jeden Tag gab es einen Ochsen am Spieß und noch viel mehr. Nun, wie ich so auf dem Hof der Burg stehe, kommt ein hübsches Fräulein vorbei und verliert ein Tüchlein, das sie im Ärmel ihres Gewandes getragen hatte. Sie hat ’ s offensichtlich nicht bemerkt, und so beuge ich mich hinab, hebe das Tüchlein auf und reiche es ihr. Sie bedankte sich recht artig und ging ihrer Wege. Als ich dann zum Schlachtmeister gehen wollte, um mit ihm zu besprechen, ob er noch mehr fette Ochsen gebrauchen kann, kommt plöt z lich so ein junger Ritter auf mich zu. Ich sag ’ Euch, seine Augen funkelten wie geschliffene Dolche. Er packt mich am Wams und zerrt mich in einen Stall, wo wir allein sind, und dort fängt er an zu schreien wie ein Eber auf dem Sauspieß. Behauptet, ich hätte ihn und seine Dame beleidigt, und ich hätte meine ung e waschenen Finger von dem Tüchlein lassen sollen. Daß sie es habe fallen lassen, sei ein Zeichen nur für ihn gewesen, und dadurch, daß ich es aufgehoben hätte, sei nun alles verdorben. Am Ende forderte der Kerl mich zum Duell heraus. Er meinte, die Ehre seiner Dame könne nur mit meinem Blut wieder rei n gewaschen werden. Zum nächsten Morgengrauen sollte ich bei einer Kapelle im Wald auf ihn warten.« Golo brach ein Stück von dem Brotlaib, den die Frau des Wirtes inzwischen gebracht hatte, und wischte damit die Suppenschüssel aus.
    »Und dann? Habt Ihr etwa den Ritter im Zweikampf besiegt? Wie geht die Geschichte weiter?«
    Der Knecht maß den Wirt mit einem abfälligen Blick. »Sehe ich vielleicht aus, als sei ich verrückt? Ich bin doch kein Krieger! Ich habe die Zeit, die mir noch blieb, genutzt, meine Sachen gepackt und bin auf und davon. Wißt Ihr, ich habe mich erku n digt, wer dieser Ritter war. Volker von Alzey heißt er, und man sagte mir, er sei der beste Schwertkämpfer im Burgundenreich. Selbst den mächtigen Hagen könne er besiegen. Was soll ich mich mit so jemandem schlagen? Der schlitzt mir den Bauch auf, noch bevor ich blank gezogen habe. Nein, nein! Ich bin zwar nur ein einfacher Mann, aber dumm bin ich nicht!«
    Golo rülpste und blickte nachdenklich auf den kleinen Zin n becher, den er während des Mahls geleert hatte. Der Wirt füllte ihm nach.
    »Nun, ich war noch keine drei Tage unterwegs, als ein Hän d ler, den ich des Weges traf, mich warnte. Er war am Vorabend einem furchterregenden Ritter mit langem, blondem Haar b e gegnet, der nach mir suchte. Dieser verfluchte Herr von Alzey hatte sich auf meine Spur gesetzt. Erst vorgestern habe ich wi e der Reisende getroffen, die ihn gesehen haben. Er muß wie von Sinnen sein. Sie berichteten mir, daß er bei Martinopolis eine Bande von fünf Räubern erschlagen hat, die sie bedrohte. Er soll wie ein Wilder und ohne Gnade gefochten haben. Deshalb, Freunde, bin ich in großer Sorge. Was mag diesen Mann nur dazu treiben, mich wegen des Tüchleins einer Dame so u n barmherzig zu verfolgen? Einmal soll er sogar ein Haus ang e zündet haben, in dem ich nächtigte. Sagt selbst, Herr Wirt, muß man da nicht verrückt sein?«
    »Nun ja, wer versteht sie schon, die adligen Herren und … « Draußen auf dem Marktplatz ertönte lautes Geschrei.
    »Golo von Worms! Wo steckst du Bastard! Ich werde dir das Herz herausreißen!«
    Der Knecht zuckte zusammen und griff nach seinem Schwert. Jetzt kam es darauf an, den Schlußakt überzeugend zu spielen. »Bitte, Herr Wirt, versteckt mich! Dieser Wahnsinnige wird mich ermorden!«
    Die Bauern waren aufgestanden und spähten durch die Tür, die sie einen Spaltbreit geöffnet hatten. »Ich … « Der Wirt erhob abwehrend die Hände. »Ich habe kein Kloster. Sucht woanders Unterschlupf. Ich will nicht, daß er auch mir den roten Hahn aufs Dach setzt. Mach, daß du hier wegkommst, Kerl.«
    »Nun, Ihr habt also meinen Tod beschlossen. So sei es!
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