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Nibelungen 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungen 02 - Das Drachenlied
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Geweihten den Kopf von den Schultern. Sein Torso wurde von der Wucht herumgestoßen, wirbelte zuckend zu Boden. Hagen brach neben ihm in die Knie.
    Alberich und Mütterchen trafen gleichzeitig bei dem Moosfräulein ein, nahmen es sanft bei den Armen und führten es aus dem Trümmerfeld. Seine Farben flimmerten und flirrten, kamen erst zur Ruhe, als seine Füße die Heide berührten.
    »Es ist vorbei«, sagte Mütterchen leise.
    Geist sah aus, als wollte sie widersprechen, doch dann senkte sie nur ihren Blick und schwieg.
     

     
    Als der Staub sich legte, ließen sie die Heide hinter sich. Ihr Weg führte sie entlang der Felskante nach Süden. Mütterchen ging neben Löwenzahn. An einer Hand führte sie das Pony. Sie hatte das Gesicht des Riesen dick mit Salbe und Kräutern bestrichen. Es sah aus, als sei ihm ein neuer Bart aus Unkraut gewachsen. Er klagte nicht über Schmerzen, obgleich sie doch alle wußten, wie weh seine Brandwunden tun mußten. Sie waren stolz auf ihn, und da war keiner, der es ihm nicht mehrfach versichert hatte.
    »Sie werden Lieder über deine Heldentat singen«, sagte Mütterchen, und unter der Salbe verzog sich Löwenzahns Mund zu einem glücklichen Grinsen.
    Alberich und Geist gingen schweigend, als dem Zwerg etwas einfiel. Er griff unter sein schmutziges Wams und zog ein Knäuel aus Binden und Tüchern hervor.
    »Das gehört dir«, sagte er und reichte es dem Mädchen.
    Das Moosfräulein zögerte einen Augenblick, dann nahm sie die Verbände widerstrebend entgegen. Als sie sie vor ihren schillernden Körper hielt, vor das Bunt des Frühlings auf ihrer Haut, da wirkten die Stoffe ungleich grauer und häßlicher.
    Wortlos trat sie an den Rand der Felswand und warf die Verbände in den Abgrund. Flatternd schwebten sie in die Tiefe, wurden von Böen hin- und hergeschüttelt, von Aufwinden wieder empor getragen, um dann schließlich doch noch unten im Rhein zu landen. Eine Weile tanzten sie auf der Oberfläche, dann riß der Sog sie davon.
    Die vier Gefährten standen am Abhang, blickten stumm auf den Fluß, und jeder hing stillen Gedanken nach, als Mütterchen plötzlich rief:
    »Seht nur, der Ritter!« Ihre Hand deutete zurück zur Heide, hoch oben auf der Klippe.
    Hagen von Tronje stand an der Felsenkante, ein dräuender schwarzer Scherenschnitt, gestützt auf eine Krücke. Neben ihm erkannten sie den Pferdekarren. Die Hinterräder standen unweit des Abgrunds. Darüber funkelte und glitzerte es. Das Gold auf der Ladefläche war nicht mehr mit Erde bedeckt, es war um ein Vielfaches höher als zuvor. Hagen mußte den restlichen Schatz aus der Drachenhöhle aufgeladen haben.
    Jetzt wandte der Ritter sich dem Karren zu, doch statt auf den Bock zu steigen und die Pferde voranzutreiben, löste er eine Klappe an der Rückseite. Das Holz kippte nach unten, und von der Ladefläche sanken Gold und Edelsteine, eine gleißende Flut, die sich an der Felswand hinunter in die Wogen des Rheins ergoß.
    »Er ist wahnsinnig!« rief Mütterchen aufgebracht und wollte schon den Weg zurücklaufen, doch Alberich hielt sie zurück.
    »Laß ihn.« Er wunderte sich ebenso wie die anderen, doch er ahnte auch, daß die grimmige Maskerade des Ritters ein tieferes Geheimnis barg.
    »Er versenkt all das schöne Gold im Rhein«, jammerte Mütterchen; es war die Räuberin, die aus ihr sprach.
    Löwenzahn deutete lächelnd auf zwei Säcke, die er auf dem Rücken des Ponys befestigt hatte. »Nicht alles.«
    »Aber…«, wollte Mütterchen widersprechen, doch ihr Ringen nach Worten blieb vergeblich. Der Anblick verschlug ihr schlichtweg die Sprache.
    Alberich grinste verhalten und ging voraus, den Weg hinab nach Süden. »Laßt ihn in Ruhe«, sagte er noch einmal, und Geist sprang frohgemut an seine Seite. »Er ist Hagen von Tronje, und er allein kennt seine Gründe.«
    Als sich auch die anderen abgewandt hatten, erschien ein Schatten auf der Wasseroberfläche und schob sich träge auf die Klippe zu, dorthin, wo das Gold versank.
    Keiner von ihnen bemerkte es.
    Vielleicht war es nur eine Wolke, die sich auf den Wellen spiegelte.
     

Epilog  
    eim traditionellen Fußnägelrauchen schnitt Alberich sich in den Zeh. Ein Blutstropfen quoll hervor, und einen Moment lang verzog er gequält das Gesicht.
    Soviel zur Unverwundbarkeit, dachte er schmerzlich; doch die alte Enttäuschung war längst verklungen. Bemüht, sich sein Mißgeschick nicht anmerken zu lassen, schälte er sich ein Stück vom Nagel und stopfte es in die Pfeife,
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