Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neverwake

Neverwake

Titel: Neverwake
Autoren: Tobias O. Meissner
Vom Netzwerk:
aus der ganzen Sache rauszukommen. Nicht der angenehmste aller denkbaren Zustände, aber in diesen Schlamassel hast du dich ja nun wirklich selber manövriert. Keiner von uns hat dich gezwungen, an den Pre-Release-Codes von Confrontation Five herumzubasteln, und dann auch noch so unvorsichtig zu sein, die Linkline in unser Subsystem für länger als eine dreiviertel Minute aufrechtzuerhalten. Das war wirklich dumm von euch. Gut, ihr habt den Rechner eines ahnungslosen Kumpels benutzt, der zur Tatzeit im Ausland war, und diesen Rechner sogar durch ein Tigerstaaten-Netzwerk durchgefädelt. Aber das war nicht nur dumm, so n dern sogar fahrlässig von euch, denn ihr habt diesem Kumpel ganz schönen Ärger angehängt, habt ihr euch das eigentlich jemals klargemacht? Auch er ist von diesen zwei Totschlägern in die Mangel genommen worden. Von ihm bekamen wir dann ein paar Namen. Der Rest war ein Kinderspiel. Jetzt werden wir über dich an die anderen herankommen, die ebenfalls noch mit drinhängen. Versuch bitte nicht, den Helden zu spielen und die ganze Sache ganz allein auf deine Kappe zu nehmen. Wie gesagt, wir haben uns über dich erkundigt. Du hast einen Verbinder, du hast einen Verteiler, ihr habt – wahrscheinlich leihweise – Zugang zu einem Hochleistungsdecoder und ebenso wahrscheinlich sogar jemanden in unserer Firma, der ab und zu etwas durchsickern läßt. Du bist unser Schlüssel. Durch dich wird alles wieder gut. Du kannst dich also freuen. Du bist unsere frohe Botschaft.
    Hör zu, ich will dir hier eigentlich gar keine Moralpredigten halten. Du bist ein Virt, und ihr Virts haltet euch für eine eigene Kaste, die irgendwie außerhalb oder sogar über den Gesetzen steht. Mir ist das gleichgültig. Ich vertrete nicht das Gesetz. Ich bin nicht hier, um ein Strafmaß festzulegen oder etwas in der Art. Meine Aufgabe ist es, Schaden zu begrenzen, und wenn ich, um Schaden begrenzen zu können, ein Exempel statuieren muß, dann werde ich es tun. Nicht gerne, nicht mit einem Lachen, aber ich werde es tun. Weil das mein Job ist. Weil das das ist, woran ich glaube. Ich bin ebensosehr Angehöriger einer Kaste, die sich für etwas Besonderes hält, wie du. Genau wie du verdiene ich meinen Lebensunterhalt in der virtuellen Entertainmentbranche. Aber hier oben auf meinem Gehaltsn i veau spielen wir keine Spiele mehr. Hier oben ist alles ernst.
    Ich will dich nicht von Gut und Böse überzeugen. Ich will dich nicht einnehmen für eine Sache und eine ideologische Grun d haltung, die ein verspäteter Straßenpunk wie du zu verachten fest entschlossen ist. Eigentlich ist das Drumherum ja auch nicht so wichtig. Es geht um das Jetzt, nicht wahr? Suicider? Das Jetzt. Es geht um dich, mit Kabeln an diesen Stuhl gefe s selt, in einem Raum, der mit ziemlicher Sicherheit unterirdisch ist und damit schallisoliert, und es geht um mich, der ich hier vor dir auf und ab gehe in meinem teuren Designeranzug und dich vollquatsche. So ist es doch, nicht wahr? Alles andere zählt nicht. Und du denkst die ganze Zeit nur: »Laß ihn reden, laß ihn reden, aus mir kriegt er nichts raus. Lieber würde ich sterben. Aber sie können mich nicht einfach so umbringen. Jemand würde ermitteln. Jemand würde dahinterkommen, wer ein Motiv hatte. Jemand würde ihnen auf die Spur kommen. Ja, aber einfach so laufen lassen können sie mich eigentlich auch nicht. Ich habe Gesichter gesehen, könnte identifizieren. Ich weiß, für welche Firma sie arbeiten. Ich könnte Anzeige erstatten gegen diese Firma.«
    Hm, komische Situation, findest du nicht auch? Ein Paradoxon: Wir können dich nicht einfach gehen lassen, wir können dich aber auch nicht einfach verschwinden lassen, das würde Kreise ziehen. Du bist ja schließlich ein Virt, und ihr Virts haltet doch alle zusammen.
    Falsch. Wenn man eine von euch Kakerlaken aus dem großen Haufen herausgreift, dann strampelt sie ganz erbärmlich und tut alles, um wieder in den Haufen zurückzudürfen. Oh, du bist natürlich anders. Du bist hart. Du bist ein Samurai, wie dein Kumpel Daigoro. Aber was nützt dir das? Wenn die anderen nicht so hart sind wie du, wirst du immer wieder verraten werden, dann bist du immer der Dumme. Du bist an uns verraten worden, Suicider. Also warum solltest du den Kopf hinhalten, während vor dir schon andere clever genug waren, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Du bist doch kein Idiot, oder etwa doch? Du willst doch nicht etwa mitbüßen für die Fehler der anderen? Du hast doch eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher