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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass
Autoren: Alistair MacLean
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verzweifelt auf den Colonel hinunter: »Wir können sie nicht finden, Sir.«
    Die Gesichtsfarbe des Colonels verdunkelte sich in bedenklichem Maße. Es bedurfte keiner besonderen Hellsicht, um zu sehen, daß der Vulkan Claremonts kurz vor der Eruption stand. Pearce trat auf ihn zu und sagte: »Vielleicht kann ich sie finden, Colonel. Ich nehme mir zwanzig, dreißig Männer, die jeden Winkel in diesem Ort kennen – und so viele sind das gar nicht. In längstens zwanzig Minuten haben wir sie gefunden. Wenn sie überhaupt hier sind.«
    »Was zum Teufel meinen Sie mit ›wenn‹?«
    »Was ich gesagt habe.« Pearce war ganz offensichtlich nicht in friedfertiger Stimmung. »Ich biete Ihnen meine Hilfe an. Ich erwarte keinen Dank und auch keine Anerkennung, aber ein wenig Höflichkeit könnte nicht schaden. Also, was ist? Ja oder nein?«
    Claremont hatte schon den Mund geöffnet, um sich Pearces Ton zu verbitten, als ihm plötzlich fast schmerzhaft bewußt wurde, daß er einen Zivilisten vor sich hatte – einen Angehörigen der unseligen Mehrheit, die weder seiner Kontrolle noch seiner Autorität unterstanden. Claremont beschränkte seinen Umgang mit Zivilisten auf ein Minimum, was zur Folge hatte, daß er fast nicht mehr wußte, wie er mit ihnen reden sollte. Aber daß er jetzt schwieg, lag daran, daß er sich nur schwer mit der demütigenden Vorstellung abfinden konnte, daß diesem ungewaschenen und undisziplinierten Abschaum von Reese City gelingen könnte, was seine eigenen geliebten Soldaten nicht geschafft hatten. Als er schließlich antwortete, kostete es ihn beträchtliche Mühe zu sprechen.
    »In Ordnung, Marshal«, sagte er hölzern. »Ich danke Ihnen. Abfahrt also in zwanzig Minuten. Wir warten am Bahnhof.«
    »Ich werde pünktlich da sein. Eine Bitte noch, Colonel: Könnten Sie zwei oder drei Ihrer Männer zur Bewachung des Gefangenen abkommandieren?«
    »Sie wollen eine Eskorte für ihn?« Claremonts Stimme klang unverhohlen verächtlich. »Er scheint mir nicht gerade gewalttätig, Marshal.«
    Pearce lächelte milde. »Das hängt davon ab, was Sie unter Gewalttätigkeit verstehen, Colonel. Wir haben gesehen, daß er kein Freund von Wirtshausschlägereien ist, aber seinem Steckbrief nach ist er durchaus imstande, das ›Imperial‹ in Brand zu setzen oder Ihren kostbaren Truppentransport in die Luft zu jagen, sobald ich ihm den Rücken zukehre.«
    Mit diesem Hinweis auf die Gefährlichkeit Deakins verabschiedete sich Pearce und verschwand im Hotel. Claremont sagte zu Bellew: »Rufen Sie Ihre Männer zurück und bringen Sie den Gefangenen zum Zug. Binden Sie ihm die Hände auf den Rücken und legen Sie ihm Fußfesseln an. Spannweite dreißig Zentimeter. Unser Freund hier scheint die Gewohnheit zu haben, sich in Luft aufzulösen.«
    »Für wen halten Sie sich eigentlich?« fragte Deakin mit kaum merkbarer Wut in der Stimme. »Das können Sie mit mir nicht machen! Sie sind kein Vertreter des Gesetzes. Sie sind nichts weiter als ein Soldat.«
    »Nichts als ein Soldat!« schnaubte Claremont. »Sie –« Er brach ab und reagierte seine Empörung dadurch ab, daß er höchst befriedigt seine Anordnung korrigierte. »Spannweite der Fußfesseln zwanzig Zentimeter, Sergeant Bellew.«
    »Mit Vergnügen, Sir.« Sergeant Bellew genoß es offensichtlich, daß der Zorn seines Colonels sich jetzt gegen den anderen richtete. Er zog eine Trillerpfeife aus der Jacke, holte tief Luft und entlockte dem Instrument kurz hintereinander drei unerträglich schrille Töne. Claremont zuckte zusammen, bedeutete den übrigen, ihm zu folgen und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Nach etwa fünfzig Metern blieb er stehen und blickte zurück: Vor dem ›Imperial‹ sammelte sich eine Gruppe von Männern, bei deren Anblick einem unwillkürlich die Klassifizierung ›Blinde, Lahme und Taube‹ einfiel, obwohl das natürlich übertrieben war.
    Infolge der Tatsache, daß jedem Stammgast, der seinen Whisky mit Wasser verdünnt hätte, von den übrigen sofort und für immer der Zutritt zum Saloon untersagt worden wäre, bewegte sich zumindest die Hälfte von ihnen mit dem schwankenden Gang von Segelschiffmatrosen vorwärts, die zu lange auf See waren. Zwei von ihnen hinkten stark und ein anderer, der auch nicht nüchterner war als die übrigen, legte auf seinen zwei Krücken ein beträchtliches Tempo vor – er war den anderen gegenüber im Vorteil, denn er hatte etwas, worauf er sich stützen konnte. Pearce trat zu den Männern und gab ihnen
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