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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass
Autoren: Alistair MacLean
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deformierte Schienenstück wurde die Böschung hinuntergeworfen, und das Ersatzteil von hinten herbeigeschleppt und eingepaßt. Die Schwellen einzubetten und die Spur auszurichten war eigentlich keine Arbeit für Amateure, aber O'Brien hoffte, daß das provisorisch reparierte Gleis trotzdem eine Weiterfahrt ermöglichen würde. Pearce, der am Schienenräumer lehnte, kam langsam wieder zu Bewußtsein; Henry saß neben ihm und betupfte ununterbrochen besorgt seine Wange und Schläfe, die eindrucksvolle Schürfwunden aufwiesen. »Wir fahren los«, verkündete O'Brien. Die Pajute, Pearce und Henry bestiegen die Waggons, während White Hand und O'Brien auf die Lokomotive kletterten. O'Brien löste die Bremse und öffnete vorsichtig das Dampfventil, während er gleichzeitig ängstlich hinausblickte. Als sie das neue Schienenstück erreichten, senkte es sich leicht aber nicht bedrohlich. Sobald der letzte Waggon die reparierte Stelle passiert hatte, kehrte O'Brien zu den Geräten zurück und öffnete das Dampfventil so weit es ging.
    Deakin, Claremont und Marica hatten angehalten, waren aber nicht abgestiegen. Deakin erneuerte hastig den Verband an Claremonts immer noch blutender Hand.
    Claremont drängte: »Mann, jede Minute zählt! Wir verlieren kostbare Zeit.«
    »Und wir verlieren Sie, wenn wir die Blutung nicht zum Stehen bringen.« Er warf einen flüchtigen Blick auf Marica, die vor Schmerz die Zähne zusammenbiß und mit der rechten Hand ihr linkes Handgelenk umklammerte. »Wie geht's?«
    »Es geht.«
    Deakin sah sie kurz an und wandte sich wieder dem Verband zu. Sie hatten sich kaum wieder in Bewegung gesetzt, als er sie erneut anblickte: Sie war im Sattel zusammengesunken. »Schmerzt Ihr Handgelenk so sehr?« fragte er.
    »Nein, mein Knöchel. Ich bekomme den Fuß nicht in den Steigbügel.« Deakin ritt auf die andere Seite ihres Pferdes. Ihr linkes Bein hing neben dem Steigbügel. Er schaute nach oben. Es hatte aufgehört zu schneien, und die abziehenden Wolken gaben den Blick auf einen strahlend blauen Himmel frei, und über den Bergen ging die Sonne auf. Er wandte sich wieder Marica zu: Sie war kaum noch imstande, sich im Sattel zu halten. Er hob sie zu sich auf den Sattel, ergriff mit der freien Hand die Zügel ihres Pferdes und trieb beide Tiere zu schnellem Galopp an. Claremont, der in kaum besserer Verfassung zu sein schien als Marica, folgte dicht auf. Sie ritten jetzt parallel zu den Eisenbahnschienen. Der Boden war dort eben und beinahe schneefrei, und sie kamen ganz gut voran.
    Sepp Calhoun saß, wo er immer saß: auf dem Stuhl des Kommandanten, die Füße auf dem Tisch des Kommandanten; wie gewohnt trank er den Whisky des Kommandanten und rauchte eine seiner Zigarren. Außer ihm war nur noch Colonel Fairchild im Zimmer, der mit auf den Rücken gefesselten Händen auf einem einfachen Holzstuhl saß. Die Tür ging auf, und ein schmieriger und sehr dunkelhäutiger Weißer trat ein.
    Calhoun fragte freundlich: »Alles in Ordnung, Carmody?«
    »Alles in Ordnung. Die Telegrafisten sind mit den anderen eingesperrt. Benson ist am Tor, und Harris ist in der Küche.«
    »Gut. Wir haben gerade noch Zeit, was zu essen, ehe unsere Freunde ankommen. Knapp eine Stunde, würde ich sagen.« Er sah Fairchild mit spöttischem Grinsen an. »Die Schlacht am Nevada Pass ist jetzt schon Geschichte, Colonel.« Er lächelte breit. »Ich glaube, das Wort ›Massaker‹ dürfte die Geschehnisse wohl am besten beschreiben.«
    Im Versorgungswaggon verteilte Pearce, der sich erstaunlich schnell erholt hatte, Repetiergewehre und Munition an die Pajute, die ihn dicht umdrängten. Von der üblichen Zurückhaltung der Indianer war nichts zu bemerken. Pearce ging mit drei Winchestern unter dem Arm nach vorn und kletterte auf den Tender. Er ging weiter ins Führerhaus der Lokomotive und reichte White Hand eines der Gewehre.
    »Ein Geschenk für dich, White Hand.«
    Der Indianer lächelte. »Sie halten Ihr Wort, Marshal Pearce.«
    Pearce versuchte zu lächeln, wurde aber sofort derart nachdrücklich an seine Verletzungen erinnert, daß er es gleich wieder bleiben ließ. Statt dessen sagte er: »Noch zwanzig Minuten. Nicht mehr als zwanzig Minuten.«
    Deakin hatte fünfzehn Minuten Vorsprung vor ihnen. Er hielt kurz die Pferde an und blickte nach vorn. Die Brücke über die Schlucht war noch knapp einen halben Kilometer entfernt; gleich dahinter lag das Gelände von Fort Humboldt. Er half Marica zurück auf ihr eigenes Pferd und gab ihr und
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