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Neva

Neva

Titel: Neva
Autoren: Sara Grant
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Herzschlag schon zu rasen beginnt.
    »Braydon hat mir gesagt …«
    Ich reiße die Augen auf. Sie weiß es. Aber sie kann es doch gar nicht wissen.
    »Er will mich für sich allein.« Sie lacht auf. »Ist das nicht großartig?« Sie berührt die Narbe auf ihrer Wange, die durch ihr breites Grinsen verzerrt wird. »Ich habe einen festen Freund«, trällert sie, als ob sie sich über sich selbst lustig macht, doch man merkt ihr an, dass sie wirklich so aufgewühlt ist.
    »Oh.« Ich atme aus. Sie weiß also nichts von dem Kuss. Ich sollte erleichtert sein, aber die Neuigkeit verstärkt mein schlechtes Gewissen und macht mir das Herz schwer. Wie kann er mich küssen und ihr im nächsten Moment sagen, sie sei die Einzige für ihn?
    »Ich liebe ihn, Nev«, meint sie und drückt ihre Tasche an sich, als ob es sich um Braydon handeln würde. »Und zwar auf die kitschige, prickelnde, kuhäugige Art.«
    »Im Ernst?«, erwidere ich zu schnell. Dass sie das
L-Wort
einbringen muss, ärgert mich. »Du warst erst – wie oft? Dreimal mit ihm zusammen? Und das eine Mal war es stockfinster.«
    »Aber es war ein so intensives Erlebnis, fandest du nicht?« Sie verdreht schwärmerisch die Augen. »Der Kuss im Dunkeln. Nur der Kuss zählte. Keine Protektosphäre. Oder Pflegeeltern. Oder sonstige Einschränkungen.«
    Sie hat recht. Das Dunkel hat alles andere ausgelöscht. Braydon und ich haben zueinandergefunden, wie es bei Tageslicht niemals hätte passieren können.
    »Nev! Ich verrate dir die umwerfendste Nachricht meines Lebens, und du bist mit deinen Gedanken irgendwo ganz weit weg.«
    »Entschuldige, Sanna. Ich freue mich für dich, wirklich!«, antworte ich, schaffe es jedoch nicht, die angemessene Beste-Freundinnen-Begeisterung aufkommen zu lassen. Sanna ist der Typ Mädchen, den alle Jungs mögen, aber mit dem sich nie einer verabredet. Sie hat eine stärkere Persönlichkeit und eine tollere Figur als wir alle zusammen, und ich schätze, dass die Jungs sich davon einschüchtern lassen.
    »Nev!« Spielerisch schlägt sie mich mit ihrer Handtasche.
    »Autsch!« Keine Ahnung, was sie darin aufbewahrt, aber es tut weh. Dadurch kann ich mich allerdings auf den Schmerz konzentrieren statt auf den Kuss.
    »Braydon und ich! Kannst du dir das vorstellen?«
    Meine beste Freundin hat endlich einen richtigen Freund, und der Kerl küsst mich! Was soll ich denn sagen? »Geh es trotzdem langsam an. Ich will nicht, dass dir jemand weh tut.« Wir sehen uns kurz in die Augen, bevor ich rasch den Blick senke.
    »Klar, ich weiß. Wahrscheinlich wird’s nicht lange dauern.« Sie lehnt sich an einen anderen Grabstein. »Genetisch gehöre ich nicht in seine Klasse.« Sanna ist das menschliche Äquivalent zu einer Promenadenmischung: Ihre Eltern sind keine Nachkommen unserer Gründungsväter gewesen, und keiner aus ihrer Familie ist im
Terror
umgekommen.
    »Du bist zu gut für ihn.« Denn er lügt und betrügt. »Für ihn und seine blöden roten Stiefel.«
    Sie holt zwei Blaubeer-Muffins aus ihrer Tasche. »Bitte gib ihm eine Chance.« Ihre Stimme klingt plötzlich ernst.
    »Wo hast du denn Blaubeeren her?«, frage ich und hoffe darauf, damit das Thema zu wechseln. Ich habe seit Jahren keine Blaubeeren mehr gegessen. »Und wie kommst du an genug Zucker, um Muffins backen zu können?« Sie bietet mir einen an.
    Ich liste nur die vermissten Personen auf. Mit der Auflistung von verschwundenen Dingen könnte ich ganze Wälzer füllen: Schokolade, Luftballons, Getränke mit Kohlensäure, elektronisches Spielzeug, das blinkt, surrt, piept. Früher gab es Geschäfte mit nagelneuen glänzenden Waren. Nun gibt es Märkte, auf denen das getauscht wird, was meistens schon verbraucht und grau aussieht.
    »Braydon kennt jemanden, der jemanden kennt.« Herzhaft beißt sie in ihren Muffin. »Wir haben heute Morgen zusammen gebacken. Ich meine – ist das nicht einfach
Wahnsinn?
« Während sie spricht, fallen ihr Krümel von den Lippen.
    Ich teile meinen Kuchen in der Mitte und dann noch einmal; diese Rarität will ich ganz langsam genießen. »Hast du …?« Ich breche ab, denn eigentlich will ich es gar nicht wissen.
    Nach einer langen Pause antwortet sie: »Ich hab versprochen, dass ich’s nicht tue, oder?«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Nev. Komm runter. Wir haben ein bisschen was gemacht, aber nicht
das.
« Sie steckt sich eine pralle Blaubeere in den Mund.
    »Aber falls du willst, dann … na ja, du weißt schon. Triff Vorkehrungen. Sei vorsichtig,
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