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Neva

Neva

Titel: Neva
Autoren: Sara Grant
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Blick zurück. Braydon läuft in die entgegengesetzte Richtung in einen der kleineren Gänge. »Ich habe sie!«, brüllt er, als er im Dunkeln verschwindet. »Sie ist hier.«
    Er hat mich gerettet.
    Ich laufe so schnell, wie meine Füße mich tragen. Meine Lungen drohen zu platzen.
    Der Tunnel verläuft nicht schnurgerade, immer wieder pralle ich gegen die Wände. Ich werde hier unten sterben. Niemand wird je erfahren, was mit mir passiert ist, und ich werde nie herausfinden, was sich dort draußen auf der anderen Seite befindet.
    Die Luft um mich herum knistert. Jedes Härchen an meinem Körper richtet sich auf. Das kann unmöglich das Ende sein. Ich hatte es beinahe geschafft.
    Ich nehme ein lautes Ploppen wahr, und ein Stromschlag durchfährt mich. Mein Kreuz biegt sich durch. Ich werde nach vorne geschleudert und krache zu Boden. Und wieder hüllt mich die Dunkelheit ein.

[home]
    35 . Kapitel
    I ch bin ausgelöscht worden.
    So fühlt es sich also an. Ich bin nichts als ein leerer Gedanke. Ich habe keine Gestalt, keine Umrisse. Ich bin die Dunkelheit.
    Ich möchte hier verweilen, nicht denken und fühlen, doch einzelne Gedanken und Erinnerungen glimmen in mir auf. Und mit einem Mal bricht alles wie eine große Flut über mich herein. Mein Leben spielt sich vor meinem inneren Auge im Schnelldurchlauf ab und kommt genau jetzt an diesem Punkt mit einer Vollbremsung zum Stehen.
    Ich reiße die Augen auf und ringe wie eine Ertrinkende nach Luft. Meine Haut prickelt, als das Gefühl zurückkehrt. Das Prickeln verwandelt sich in einen pochenden Schmerz, der jeden Muskel, jeden Knochen durchdringt.
    Ich bin noch immer im Tunnel, aber ich kann vor mir einen Bogengang sehen, aus dem mir ein helles weißes Licht entgegenschimmert. Hinter mir befindet sich nichts als schwarze Dunkelheit. Meine Eltern, Sanna und Braydon sind jenseits dieser Finsternis gefangen. Schmerzlich wird mir bewusst, was sie alle geopfert haben, um mir bei der Flucht zu helfen. Der Kummer wirft einen langen Schatten, und dennoch steuere ich auf das Licht zu.
    Zunächst widersetzt mein Körper sich meinem Willen. Langsam, aber sicher gelingt es mir, mich auf alle viere zu stemmen. Ich krieche ein paar Meter und richte mich schließlich auf.
    Taumelnd bewege ich mich vorwärts. Der Schein blendet mich, und ich muss meine Augen abschirmen. Als ich den Tunnel dann hinter mir lasse, bleibe ich eine Weile blinzelnd stehen, bis die Welt vor mir allmählich Gestalt annimmt. Eine farbenprächtige Decke erstreckt sich vor mir. Ich kneife die Augen zusammen und kann Einzelheiten ausmachen, entdecke immer mehr. Die bunten Punkte sind Menschen. Menschen aller Formen, Farben und Größen.
    Es gibt ein Leben außerhalb der Protektosphäre. Nichts befindet sich hier zwischen mir und dem endlosen Horizont. Tränen brennen in meinen Augen.
    Ich schaue über das Menschenmeer und suche nach vertrauten Gesichtern. Bald erkenne ich, dass es eine Menge davon gibt. Viele dieser Leute könnten Bruder, Schwester oder Vater und Mutter von mir sein. Überall um mich herum finden Wiedervereinigungen statt. Ich bin nicht die Einzige, die entkommen ist.
    Ich blicke zurück auf die Protektosphäre. Von außen ist sie nicht durchsichtig, sondern silbrig. Sie funkelt in der Sonne, und der leuchtend blaue Himmel spiegelt sich in ihr.
    Eine wunderschöne Frau am Rand der Menschenmenge bemerkt mich. Sie hat braune Haut und langes, schwarzes lockiges Haar, das nicht so widerspenstig ist wie meins, sondern ganz weich aussieht. Sie lächelt ein unglaublich weißes Lächeln. Ist sie ein Mensch oder etwas anderes, etwas, das hier in dieser Weite, die weder Anfang noch Ende zu haben scheint, neu entstanden ist?
    »Oh, lieber Gott, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragt die Frau mit einer tiefen Stimme, die sich hebt und senkt, wie ich es nie zuvor gehört habe. »Wir haben den Blitz gesehen, als das Feld wieder in Betrieb genommen wurde. Wir hätten nicht gedacht, dass es noch jemand nach draußen schafft.«
    Ich gehe einen Schritt auf sie zu und stolpere. Sie eilt zu mir, um mir zu helfen. »Wie …? Was …?«, ist alles, was ich hervorbringe.
    »Seit Stunden kommen sie schon herüber, immer zwei oder drei zusammen. Die Nachricht hat sich herumgesprochen, und Leute von überall haben sich hier versammelt. Jeder hofft, dass seine Angehörigen es geschafft haben. Kennst du jemanden hier?«
    Oh, das hoffe ich so sehr. »Meine Großmutter«, antworte ich. »Ruth Adams.«
    »Ruth Adams«, ruft
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