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Neva

Neva

Titel: Neva
Autoren: Sara Grant
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des Mannes. »Ist das so, Mr.Leighton?«
    »Nein, Sir. Ich wollte nicht andeuten, dass er schläft, Sir. Es ist nur so, dass …« Er weiß nicht mehr weiter.
    »Hören Sie, ich hatte eine anstrengende Nacht. Ich vergesse einfach, dass das hier passiert ist, okay? Und Sie tun sich einen Gefallen und machen es ebenso.« Damit setzt er sich wieder in den Wagen.
    »Ja, Sir. Danke, Sir«, gibt der Wachmann zurück und legt den Schalter um, mit dem die Schranke geöffnet wird.
    Dad umklammert fest das Lenkrad, aber ich habe gesehen, dass seine Hände zittern. »Wir sind fast da«, meint er kurze Zeit später. Die Landschaft wird immer karger. Vor uns beleuchten rote, blinkende Warnlampen eine Tafel, auf der steht:
Fahrbahnende. Umkehren!
Als wir näher kommen, sehe ich in kleinerer Schrift:
Lebensgefahr. Protektosphäre in Betrieb. Durchfahrt verboten!
Ich verdränge das Bild von meiner Großmama, die durch einen Stromschlag getötet wird.
    Dad hält an. »Steig aus«, fordert er mich auf, und ich schrecke zusammen. Er bringt mich gar nicht in eine Anstalt. Ich kann kaum atmen. »Wir haben nicht viel Zeit.« Er greift an mir vorbei und öffnet die Tür. Ich weiche vor ihm zurück.
    »Dad, bitte nicht. Bitte!« Tränen brennen in meinen Augen. Er hat mich zum Sterben hergebracht. Mein eigener Vater! Ich werde durch die Protektosphäre getötet, genau wie meine Großmutter.
    Er löst meinen Gurt. Ich will wegrennen, doch meine Beine sind wie aus Gummi. Ich schlage nach ihm, aber ich habe keine Kraft mehr. Nun schlingt er die Arme um mich. Zieht mich an sich. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und klammere mich an ihn. Er spricht mit mir, doch ich kann ihn vor lauter Schluchzen nicht verstehen.
    »Neva, Neva«, beruhigt er mich. »Neva, es tut mir so leid.«
    »Mir auch. Tu das nicht. Bitte.«
    »Neva, beruhig dich und hör mir zu. In weniger als einer Stunde wird das Kraftfeld der Protektosphäre wieder in Betrieb genommen. Bis dahin musst du durch den Tunnel sein.«
    Ich mache mich los und starre ihn an.
    »Hinter dem Schild siehst du eine Tür in der Wand. Das elektronische Schloss ist abgeschaltet – genau wie der komplette Abschnitt in diesem Augenblick. Du gehst eine Treppe hinunter. Der Tunnel wird direkt vor dir auftauchen. Du musst rennen, Neva. Nach ungefähr einer Meile mündet dieser Gang in eine größere Kammer, von der eine Reihe weiterer Tunnel abgehen. Ich weiß nicht, wie es dort aussieht. Aber das Kraftfeld
ist
tödlich, das ist keine Lüge. Jeder, der sich darin befindet, wenn es wieder eingeschaltet wird, bekommt einen tödlichen Schlag.«
    »Wie Großmama.« Wieder steigen mir heiße Tränen in die Augen.
    »Ich hoffe, dass deine Großmama auf dich wartet.« Er lächelt mich an und umfasst mit beiden Händen mein Gesicht.
    Ich kann es nicht glauben.
    »Was ist da draußen, Dad?«, frage ich. Ich bin ihm näher, als ich es je gewesen bin.
    »Ich habe keine Ahnung. Hoffentlich das, was du dir wünschst, Neva. Eine bessere Zukunft, als du sie hier hast.« Plötzlich weint er. »Neva, ich habe es nicht gewusst. Ich wusste nicht, was da vor sich geht. Man hat mir immer gesagt, dass die jungen Frauen dort umerzogen würden – sie würden eine Gehirnwäsche erhalten, und das wäre alles. Aber nachdem Effie … Jedenfalls bin ich hingefahren, um es mir anzusehen.« Er schiebt mich aus dem Auto. »Bitte, Neva, du musst jetzt gehen.«
    »Was geschieht mit dir und Mom?«
    »Mach dir um uns keine Sorgen.« Sein Tonfall ändert sich, und seine Worte klingen abgehackt. »Geh. Jetzt. Ich mein’s ernst.« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Ich bin so stolz auf dich.«
    Es kostet mich jedes bisschen Kraft, mich aus dem Wagen zu stemmen und zu gehen. Hinter den Warntafeln drehe ich mich um. Er steht noch immer dort, beleuchtet von den roten Blinklichtern. Er winkt, und ich laufe los.

[home]
    34 . Kapitel
    I m Tunnel ist es stockdunkel. Ich lasse die Finsternis durch mich hindurchströmen. Ich atme tief ein und nehme sie in mich auf. Ich fürchte mich nicht mehr vor diesem Nichts, vor dem Unbekannten. Ich mache einen Schritt, dann den nächsten, beginne zu laufen. Meine Hand gleitet über die kühle Tunnelwand. Unter den Fingernägeln sammeln sich Halbmonde aus Schmutz, der gegen die empfindliche Haut drückt. Ich stolpere, stürze, rappele mich wieder auf. Der beißende Geruch von feuchter Erde ist überwältigend. Mir ist, als würde ich bereits seit einer Ewigkeit rennen. Ich wische mir mit dem
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