Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin
Autoren: Susan Meissner
Vom Netzwerk:
Hawaiihemdes riechen. Die vielen Falten in seinem fünfundsiebzigjährigen Gesicht verzogen sich, als er grinste.
    „Natürlich, weil ich ihr Liebhaber war.“
    In diesem Moment ging das Telefon. Er nahm das Gespräch entgegen, und im nächsten Augenblick kam eine Gruppe von Kunden herein. Später hatte ich dann nicht mehr den Mut, ihn zu fragen, ob das ein Scherz gewesen sei.
    Meine Mutter und ich erreichten den Laden, wo sie in zweiter Reihe parkte, während ich hineinrannte, um die Gerberavase für sie zu holen. Die Spätvormittagssonne wärmte die belebte Straße, und Autos flitzten links und rechts an ihr vorbei. Jemand hupte, als ich die Beifahrertür von außen öffnete und die Vase auf dem Boden des Wagens abstellte.
    „Vergiss nicht, dass wir nächste Woche Leslies Geburtstag bei uns feiern. Und schlaf dich um Himmels willen mal richtig aus. Du siehst nicht gut aus, Jane“, rief sie und fügte dann noch hinzu, dass meine Schwester sich zu ihrem vierzigsten Geburtstag keine schwarzen Luftballons, keine Antifalten-creme und auch keine Haftcreme fürs Gebiss wünschte. Ich versicherte ihr, dass ich im Laden bestimmt etwas Passendes für meine Schwester finden würde, das keinerlei Anspielung auf ihr fortgeschrittenes Alter enthielte.
    „Schade, dass die alte Uhr in dem Stadthaus nicht funktioniert!“, schrie mir meine Mutter noch zu, als erneut ein Auto ihretwegen hupte. „Die würde ihr bestimmt gefallen.“
    Ich schlug die Tür zu und half ihr, sich wieder in den Verkehr einzufädeln.
    Die Uhr gehörte mir.

Drei
    Wilson kochte im hinteren Teil des Ladens gerade frischen Kaffee, als ich das Geschäft betrat. Stacy stand mit einer Kundin an der Schmuckvitrine und zeigte der gut gekleideten Frau eine glänzende Taschenuhr mit einer Gravur in französischer Sprache. Ich hörte, wie Stacy die wunderschönen Worte vorlas, und dankte dem Himmel einmal mehr dafür, dass ich sie als neue Mitarbeiterin hatte gewinnen können. Stacy war Missionarstochter und sprach vier Sprachen fließend, unter anderem Französisch und Italienisch. Sie absolvierte gerade ihr Masterstudium an der Universität von New York und arbeitete zwanzig Stunden pro Woche als Verkäuferin für mich. Als ich zu Wilson ging, erzählte Stacy der Frau gerade, dass die Inschrift auf der Uhr „Was nie bezweifelt wird, wird nie bewiesen“ bedeutete. Wilson, der zu seinem bananengelben Hawaii-Hemd ein Tweedjackett trug, sah aus, als könnte ich ihn alles fragen und er wüsste darauf entweder die Antwort oder könnte mich davon überzeugen, dass es gar nicht wichtig sei, darauf eine Antwort zu finden.
    Als ich bei ihm ankam, deutete er mit dem Kopf in Stacys Richtung und flüsterte: „Diderot.“
    „Was?“
    „Die Gravur auf der Uhr. Diderot war ein französischer Philosoph aus dem achtzehnten Jahrhundert. Ein Radikaler. Die Kaffeemilch ist alle.“ Er reichte mir eine Tasse Kaffee. „Schon seltsam, so etwas in eine Uhr eingravieren zu lassen.“
    „Muss wohl ein Fan gewesen sein“, sagte ich und trank einen Schluck von meinem Kaffee. Wilsons Kaffee war immer stark und schwarz, das perfekte Gegenmittel gegen meinen allmorgendlichen Durchhänger.
    „Wahrscheinlich hat er sich die Uhr selbst geschenkt“, witzelte Wilson, und wir mussten beide lachen.
    Er deutete auf ein paar große Pakete, die am Hintereingang standen und mit britischen Briefmarken frankiert waren. „Die sind gekommen, während Sie weg waren.“
    Das waren Emmas jüngste Einkäufe für uns. Sie hatte mir morgens am Telefon mitgeteilt, dass die Pakete wahrscheinlich im Laufe des Tages eintreffen würden, und mich außerdem darüber informiert, dass sie keine Zeit gehabt hätte, deren Inhalt zu sichten und zu sortieren. Die Sammlung von alten Kleidungsstücken, die sie auf demselben Trödelmarkt erstanden hatte, sei eine wahre Fundgrube, aber alles sei in wirklich erbärmlichen Zustand. Sie hätte leider auch keine Zeit gehabt, meinen Teil der Sachen zu sortieren. Ich dürfe also nicht ihr die Schuld geben, wenn die Dinge in schlechtem Zustand seien. Sie hätte für alles zusammen 200 Pfund bezahlt und die Kosten zwischen uns geteilt.
    „Soll ich die Kisten für Sie öffnen?“, fragte Wilson.
    Ich bückte mich, um das Zollsiegel etwas genauer anzusehen, das auf der ersten Kiste klebte. Emma hatte auf dem Aufkleber „Bücher, Zierdosen und Schmuckkästen“ angekreuzt und den Wert jedes Gegenstandes mit zehn Dollar bemessen. Die Kisten sonderten einen strengen Geruch ab.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher