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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
Autoren: Patricia Schröder
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Eigentlich sahen sie genauso aus wie vor dem Unfall oder wie auch immer man den Umstand, der zu ihren Verletzungen geführt hatte, bezeichnen sollte. Natürlich waren sie durch das wochenlange Ruhen im Gipsverband schmaler geworden, aber ansonsten sah man ihnen die unzähligen komplizierten Brüche auch äußerlich nicht an. Alles schien perfekt verheilt zu sein.
    Vorsichtig bewegte Jolin die Finger, und auch das funktionierte einwandfrei. Die Muskulatur war allerdings noch ein wenig schlapp, fast fühlten Hände, Handgelenke und Unterarme sich wie Fremdkörper an.
    Jolin strich mit den Fingerkuppen über den Stoff ihrer Jeans und ließ sie anschließend über ihren Arm gleiten. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie Rouben berührte. Warum war er jetzt nicht hier? Hätte er sie ins Krankenhaus begleitet, hätten sie sich jetzt in diesem Moment bereits in den Armen halten können. Jolin hätte ihre Hände unter seinen Sweater geschoben und … Bestürzt wurde ihr klar, dass sie völlig vergessen hatte, wie seine Haut sich anfühlte. War sie warm oder kühl? Glatt oder behaart? Jolin wusste es nicht mehr. Die Nähe und Zärtlichkeit und all das Überwältigende, das sie in dieser Dezemberneumondnacht miteinander getan hatten, war wie ausgeblendet.
    Jolin seufzte leise, während sie die Augen öffnete, und bemerkte im nächsten Moment das Gesicht ihres Vaters, das sich langsam durch den Türspalt in den Raum schob.
    »Störe ich?«
    Wie ertappt ließ Jolin die Arme sinken. »Äh … nein.«
    Gunnar Johansson trat ein und schloss die Tür hinter sich. »Alles in Ordnung?«, fragte er und musterte seine Tochter besorgt.
    »Ja, ja, natürlich«, beeilte sie sich zu sagen. »Alles bestens.«
    Ihr Vater nickte. »Dann können wir jetzt also nach Hause fahren?«
    »Ich weiß nicht. Sie haben mir nichts gesagt. – Dir?«, fragte Jolin.
    Gunnar zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht haben sie einfach nicht dran gedacht«, meinte Jolin lächelnd. »Vor lauter Staunen über den mysteriösen Heilerfolg.«
    »Mysteriös?« Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Ich schätze, du hast einfach außergewöhnlich gutes Heilfleisch.«
    Oder es liegt daran, dass ich mir diese Verletzungen in einer Art Parallelwelt zugezogen habe, dachte Jolin, selbst überrascht von diesem Geistesblitz. Es gab noch so viel, was sie nicht wirklich verstanden hatte und worüber sie dringend mit Rouben reden musste.
    »Hat er sich schon gemeldet?«, fragte sie leise.
    Gunnar sah sie überrascht an. Offenbar konnte er dem plötzlichen Themawechsel nicht ganz folgen.
    »Rouben«, half Jolin ihm ungeduldig auf die Sprünge.
    »Ach so. Ja klar. Wer sonst?« Ihr Vater lachte kurz, dann runzelte er die Stirn. »Gibt es Probleme?«, fragte er.
    »Nein, nein.« Jolin zog ihre Jacke von der Stuhllehne, Gunnar nahm sie ihr ab und half ihr hinein. »Es ist nur …«
    »Du hättest ihn heute gerne dabeigehabt.«
    »Ja.« Ein unbestimmter Schmerz setzte sich unter ihrem Brustbein fest. Jolin schluckte. Fast hätte sie losgeheult.
    »Vielleicht …«, sagte Gunnar, führte den Satz jedoch nicht zu Ende.
    »Was?«
    »Ich weiß doch auch nicht mehr als du«, sagte er nach einem Zögern, dann legte er seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. »Wir haben schließlich zusammen die Wohnung verlassen.«
    »Ja, klar.« Jolin hätte sich in den Hintern beißen können. »Du musst mich für ganz schön bescheuert halten.«
    »Und du scheinst dir nicht vorstellen zu können, dass auch ich mal ziemlich in deine Mutter verliebt war«, sagte Gunnar.
    »Jetzt nicht mehr?«, erwiderte Jolin erschrocken.
    »Doch, natürlich bin ich das immer noch«, antwortete er sofort. Sein Blick glitt in die Ferne, und seine Gesichtszüge entspannten sich auf eine Weise, wie es vielleicht ein Körper tut, bevor er voller Vertrauen in den Schlaf hinübergleitet. »Dieses Gefühl ist mit den Jahren immer tiefer geworden. Verliebtsein trägt dich auf Wolken, Liebe umhüllt dich wie ein Mantel.«
    Fasziniert musterte Jolin seine Züge. Sie wusste genau, was er meinte. Rouben war beides, die Wolken und der Mantel. Zumindest war er das bis vor zwei Tagen für sie gewesen. Im Augenblick fühlte es sich eher so an, als würde er ihr den Mantel vom Körper ziehen und sie durch die Wolkendecke ins Bodenlose stürzen.
    »Können wir zu ihm fahren?«, brach es aus ihr hervor.
    »Jetzt gleich?«
    Jolin nickte angespannt.
    Gunnar Johansson seufzte. »Es wird deiner Mutter nicht
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