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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
Autoren: Ann Granger
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teilten. Ich überlegte, wie klein ihr Mund war und dass sie mit ihrer Stupsnase und den rosigen Pausbacken aussah wie ein himmlischer Cherub in fortgeschrittenem Alter. Die kastanienbraunen Locken, die unter ihrer Spitzenhaube hervorlugten, verstärkten diesen Eindruck noch. Sehr kastanienbraun. Ich weiß noch, wie ich voller Staunen überlegte, ob sie angefangen hatte, Henna zu benutzen! Dann kehrte mein Verstand zögernd zu ihrer Frage zurück und wie ich darauf antworten sollte.
    In den vorangegangenen drei Monaten war ich offiziell mit Ben Ross »ausgegangen«. In Wirklichkeit hatte ich nur sehr wenig von ihm gesehen. Ich hatte eine Rivalin, und ihr Name war Polizeiarbeit. Die Unterwelt machte keine Ferien, wie ich sehr bald herausgefunden hatte. Zu allen Tages- und Nachtzeiten und mit einem ausgesprochenen Mangel an Rücksicht auf Polizeibeamte und ihr Privatleben erleichterten Einbrecher unbescholtene Bürger ihrer Habseligkeiten, brüteten Betrüger ihre raffinierten Intrigen aus, während Mörder, jene skrupellosesten aller Raubtiere, die Gassen der Elendsviertel durchstreiften und ungesehen in die Behausungen der Besserverdienenden schlüpften.
    Das unablässige Durchkreuzen jeglicher Pläne, die Ben und ich schmiedeten, fand seine Verkörperung in der beträchtlichen Leibesmasse von Superintendent Dunn. Er war ein netter Mann, rau, aber herzlich, doch ich merkte bald, dass er von seinen untergebenen Beamten erwartete, dass sie nach seiner Pfeife tanzten, »zuerst und zuoberst und mehr oder weniger ununterbrochen!«, wie ich Ben gegenüber mit heißer Inbrunst erklärte.
    Was also um alles in der Welt sollte ich Tante Parry auf ihre Frage hin antworten? Ich hätte ihr erzählen können, dass ich glaubte, Ben würde mit einem Heiratsantrag herausrücken, doch auf der anderen Seite war kein diesbezügliches Wort gesagt worden. Mehr noch, wenn ich als Ehefrau so wenig von ihm sehen würde wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt als seine »junge Lady«, dann regten sich in mir ernste Zweifel, ob ich überhaupt mit einem Inspector der Plain Clothes Division * der Metropolitan Police verheiratet sein wollte.
    Mein innerer Zwiespalt hatte sich noch verschlimmert wegen der Note, die mir erst an jenem Morgen von einem impertinent grinsenden Bengel zugestellt worden war. In ihr bat Ben mich um Verzeihung und teilte mir sein aufrichtiges Bedauern darüber mit, dass er nicht wie geplant frei und imstande sein würde, mich an jenem Nachmittag zum Freiluftkonzert im Hyde Park zu begleiten. Als wir unseren Ausflug geplant hatten, hatte Ben mir noch versichert, dass es angesichts der langen Stunden, die er in letzter Zeit gearbeitet hatte, und angesichts der nicht unbeträchtlichen Erfolge seiner Anstrengungen möglich sein müsste, einen freien Samstagnachmittag zu erhalten. Doch nein. Wieder einmal waren wir frustriert. Ich wusste, dass er genauso enttäuscht war wie ich, allein, es half nichts, und die Phrase in seiner sorgfältig formulierten Note, die mich am meisten verärgerte, war die, von der ich wusste, wie sehr der arme Ben über ihr geschwitzt hatte und in welcher er seiner innigen Hoffnung Ausdruck verlieh, ich würde »es verstehen«.
    Oh ja, ich verstand sehr genau. Superintendent Dunn verlangte nach Bens Diensten, und das Konzert wurde beiseitegeschoben, um Platz zu schaffen für einen weiteren zweifellos grausigen Mord.
    Und so antwortete ich auf Tante Parrys Frage mit einem forschen »Es tut mir leid, aber ich weiß es durchaus nicht!«.
    Sie blickte verblüfft von ihrem Teller auf. »Aber ich bin verantwortlich für dich, Elizabeth, meine Liebe!«, sagte sie, wie um ihre Neugier zu rechtfertigen.
    Sie glaubte wahrscheinlich, mein kurzes Stirnrunzeln sollte bedeuten, dass sie sich meiner Meinung nach in eine delikate private Angelegenheit einmischte. Die Frage nach Bens Absichten hatte mich jedoch nicht verärgert – vielmehr wurmte mich die Erklärung, dass sie »verantwortlich« für mich wäre.
    Ich wollte erwidern, dass dies keineswegs der Fall wäre. Dass sie nur eine »angeheiratete« Tante wäre, die Witwe meines verstorbenen Patenonkels und überdies gegenwärtig meine Arbeitgeberin. Ich war die Haushälterin meines verwitweten Vaters gewesen und ganz allgemein sein Faktotum bis zu seinem Tod, und ich war daran gewöhnt, für mich selbst verantwortlich zu sein. Doch es wäre nicht nur unhöflich von mir gewesen, ihr das zu sagen, sondern darüber hinaus undankbar. Auf ihre eigene Weise war sie in der
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