Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity
Autoren: Ann Granger
Vom Netzwerk:
allenthalben herrschende Gedränge.
    Der Verkehr auf den Straßen ließ nach, je weiter wir kamen. Offensichtlich hatte sich herumgesprochen, dass »das Gesetz« dem Viertel einen Besuch abstattete. Diese Menschen erkannten einen Polizisten auf der Stelle, ob in Uniform oder zivil. Vor uns öffnete sich eine Gasse, fast wie das Rote Meer, das vor Moses und den Israeliten zurückgewichen war, bemerkte ich gegenüber dem armen Mr. Roche, der sich mit einer Hand an seinen Stock klammerte und mit der anderen den Hut festhielt.
    »Ohne den Schutz der Polizei würde ich keinen Meter durch diese Straße laufen«, gestand er freimütig.
    »Passen Sie trotzdem auf Ihre Wertsachen auf, Sir«, empfahl Morris. »Es gibt zahllose Gauner und Taschendiebe auf der Straße. Sie würden nicht glauben, wie geschickt einige von ihnen sind! Sie sollten in der Music Hall auf der Bühne auftreten, so geschickt erleichtern sie die Menschen um ihre Uhren oder Geldbörsen, ohne dass diese auch nur das Geringste merken!«
    Endlich erreichten wir unter Potters Führung die Scuttle Lane – falls man das Wort Lane – Gasse – überhaupt als zutreffend bezeichnen konnte. Es war nicht mehr als eine Lücke zwischen zwei Häusern. Zur rechten Seite stand ein Wirtshaus, zur Linken ein Etablissement, aus dem ein so widerlicher Gestank drang, als wären dort Leimsieder zugange.
    Die Scuttle Lane selbst war eine dunkle, übel riechende Gasse mit einem offenen Rinnstein in der Mitte, in dem eine schmutzige Brühe floss, über deren Herkunft ich lieber nicht nachdenken wollte.
    Unsere Ankunft blieb nicht unbemerkt, vor allem nicht unter den Besuchern des Wirtshauses, die ihre benebelte Aufmerksamkeit auf uns richteten.
    »Sieh an, das Gesetz …«, bemerkte einer aus dieser Schar unausweichlich.
    »Von wegen Gesetz«, widersprach ein anderer. »Es ist der alte Potter von der Gemeinde. Ein alter Geizkragen, das ist er.«
    »Ich weiß, wer Potter ist!«, sagte der andere. »Ich hab seine elende Visage schließlich oft genug zu Gesicht bekommen, oder? Aber die beiden anderen Typen in seiner Begleitung, das sind Bullen, die Sorte, diesich anzieht wie Anwaltsgehilfen und meint, niemand würde etwas merken!«, giftete der Sprecher zwar nicht direkt in unsere Richtung, aber dennoch so, dass wir es unmöglich überhören konnten.
    »Hey, Mr. Potter!«, rief ein dritter. »Erinnern Sie sich an mich? Jones ist mein Name. Sie haben sich geweigert, meine alte Mutter zu beerdigen! Meine Frau musste ihren Wintermantel verkaufen, um das Geld aufzubringen!«
    »Beeilen wir uns lieber!«, schlug Potter nervös vor.
    »Ja, nicht zu übersehen«, räumte der erste Trinker ein, der Potter erkannt hatte. »Aber ich weiß nicht, wer der vierte ist, der aussieht wie ein Gent. Ein richtig feiner Pinkel, schätze ich.«
    »So viel zu Zivilkleidung«, sagte ich sotto voce an Morris gewandt. »Ich frage mich, warum wir uns überhaupt die Mühe machen.«
    »Ich hatte vorgeschlagen«, wandte sich Potter mit einiger Selbstgefälligkeit an mich, »dass wir nach Mrs. Dawson schicken, damit sie das Kind zu uns bringt. Aber Sie wollten ja nicht auf mich hören.«
    Er war vor einem Torbogen stehen geblieben und duckte sich in den Eingang. Wir folgten ihm. Er führte uns in einen Innenhof, der vollgestellt war mit Abfällen und Plunder. Kinder und räudige Hunde spielten miteinander. Eine alte Frau saß vor ihrer Tür und sortierte einen Stapel Lumpen. Sie blickte nicht einmal auf, als wir eintraten, obwohl sie unsere Anwesenheit sicher bemerkt hatte. Ihr Fuß stieß wie zufällig gegen einen Eimer, und der scheppernde Lärm war ohne Zweifel ein Alarmsignal für jeden in dem schäbigen Zimmer hinter ihr. Die Kinder zerstreuten sich ebenfalls, wohl um ihre Familien zu warnen, dass Behördenvertreter in der Nähe waren. Potter klopfte an eine Tür.
    Sie wurde von einer stämmigen Frauensperson in einem Schottenkleid mit schmutziger Schürze geöffnet, die sich das Haar zu einem seltsamen »Apollo-Knoten« hochgesteckt hatte. Es war eine Mode, die, wie ich glaube, zu King Williams IV. Zeiten modern gewesen und heutzutage kaum noch zu sehen war. Doch Whitechapel war ein Ort, wo man bei etwas blieb, wenn es einem erst einmal gefiel. Ihr Gesichtsausdruck beim Öffnen der Tür war angriffslustig gewesen, doch beimAnblick Potters löste sich die Aggression in scheinheiliges Lächeln auf.
    »Ah, Mr. Potter! Ich habe Sie nicht erwartet!« Sie legte eine Hand auf ihren Apollo-Knoten und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher