Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
herunter, und ihre Haare flogen durcheinander und berührten sogar Franks Gesicht dabei. Sie fing sie wieder ein und
    hielt sie fest. Frank war es sehr recht, daß sie das tat. Das bringt jetzt nichts, dachte er, wenn einen am Tag vor dem Bund noch die Haare fremder Frauen berühren, am Ende verliebt man sich noch, und dann ist das extra bitter, dachte er.
    »Nur so, ich dachte …«, sagte sie.
    Frank sah sie aus den Augenwinkeln an und wußte nicht, was er davon halten sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß jemand an der Bremer Uni Germanistik studierte, mit dem man ihn verwechseln konnte, schon wegen seines neuen Haarschnitts schien ihm das unmöglich. Ich bin ja eigentlich schon voll stigmatisiert, dachte er.
    »Ich bin kein Student«, sagte er.
    »Ach so!«
    »Und wieso fährst du dann zur Mensa?« kam es von hinten.
    »Was ist los?« fragte Frank ärgerlich und in scharfem Ton gegen die Windschutzscheibe. »Was ist das für eine dämliche Frage?«
    »Naja, ich meine nur…«, kam es von hinten, gleich schon etwas kleinlauter, wie Frank, der sich aus einem ihm selbst nicht erfindlichen Grund in einen ungeheuren Ärger gegen den undankbaren Wichser, wie er ihn in Gedanken nannte, hineinsteigerte, der da auf der Rückbank seines Autos saß und sich nicht entblödete, wie er es in Gedanken nannte, ihn auszufragen, geradezu zu verhören, wenn nicht gar anzuklagen, weil er als NichtStudent in die Mensa ging, während er, Frank, ihn freundlicherweise und völlig selbstlos in seinem Auto mitnahm, das gehört sich nicht, dachte er, so geht das nicht, das verlangt harte Gegenmaßnahmen, dachte er, obwohl er wußte, daß das Pipi-fax war, das ist Pipifax, dachte er, das ist klein, da sollte man drüberstehen, dachte er, aber er stand da nicht drüber. »Was soll das heißen, ich meine nur?« stieß er wütend hervor. »Was meinst du damit, ich meine nur?«
    Der Typ schwieg.
    »He, ich habe dich was gefragt! Was meinst du nur?«
    »Naja, ich habe mich nur gewundert, wieso man zur Mensa fährt, wenn man nicht studiert.«
    »Vielleicht will man was essen!«
    »Naja, aber eigentlich ist die doch nur für Studenten.«
    Der Arsch hört nicht auf, dachte Frank, er macht alles immer schlimmer, er bringt sich in Teufels Küche und merkt das nicht einmal, dachte Frank, er fährt ernsthaft bei mir im Auto mit und will mir gleichzeitig erzählen, wo ich essen darf und wo nicht, dabei sollte er froh sein, dachte Frank, daß ich nicht Harry bin, Harry würde das jetzt ganz anders regeln.
    »Und was jetzt? Die Bullen rufen, oder was?«
    Es kam keine Antwort.
    »He, ich hab dich was gefragt? Willst du die Bullen rufen, oder was?«
    Der andere schwieg immer noch.
    »Außerdem hast du keine Ahnung«, griff Frank weiter an. »Es gibt nicht nur Studenten an der Uni, und auch nicht nur Professoren und studentische Hilfskräfte und Asisstenten und den ganzen Scheiß. Oder was hast du gedacht?«
    »Schon gut, Mann … «
    »Es gibt auch noch Leute, die da arbeiten, schon mal gehört? Arbeiten, verstehst du, was ich meine? Arbeiten! Meinst du, die Uni läuft von selber? Meinst du, da gehen nur Studenten hin?«
    Es herrschte wieder Schweigen im Auto, und jetzt, das spürte Frank genau, war es ein peinliches Schweigen. Der Typ ist ein Arsch, dachte Frank, aber ich mache mich auch zum Arsch, ich versaue allen den Tag, dachte er, aber andererseits versauen sie mir auch den Tag, das sind doch alles
    Wichser, dachte er, fahren hier mit und quatschen einen von der Seite an, und warum sollen die heute einen guten Tag haben, wenn ich morgen zum Bund muß?
    »Ich meine, hast du schon mal gearbeitet, Kerl? Oder wenigstens schon mal darüber nachgedacht, wie viele andere Leute in der Uni arbeiten, Techniker, Köche, Bibliothekare, Putzfrauen und was weiß ich nicht alles, damit du da studieren kannst? Hast du da schon mal drüber nachgedacht?«
    »Entschuldigung«, kam es von hinten. »Hab ich nicht so gemeint.«
    »Was jetzt?« setzte Frank noch eins drauf. »Eben hast du gesagt, du meinst ja nur, jetzt sagst du, du hast das nicht so gemeint. Kannst du dich mal entscheiden, was du meinen willst und was nicht?«
    »Entschuldigung! Tut mir leid, ehrlich.«
    »Ja, ja …« Frank war immer noch sauer, jetzt aber mehr auf sich selbst, ich hätte nicht noch einmal nachtreten sollen, dachte er, wenn sich einer entschuldigt oder sonstwie aufgibt, dann soll man nicht weiter draufhauen, dachte er, das würde nicht mal Harry machen, obwohl, Harry vielleicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher