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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Autoren: Sven Regner
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Luft, aber was man da eigentlich machen soll, das haben sie einem nie gesagt, dachte er, während er die Treppen hinaufstieg, na ja, dachte er, frische Luft werde ich jedenfalls genug haben bei der Bundeswehr. Dann traf er Harry.
    Harry kam gerade aus dem Cafe Heinemann und hielt eine Tüte Pommes mit Mayo in der Hand, als sie zusammenstießen. Frank erkannte ihn sofort, wenn auch zunächst nur an der Stimme, denn als sie zusammenstießen, brüllte Harry: »Paß auf, du Arsch, oder ich reiß dir den Kopf ab!«
    »Harry«, sagte Frank und versuchte, um die Situation zu entspannen, ein bißchen Freude in seine Stimme zu legen, obwohl es das letzte war, was er in diesem Moment empfand. Harry, dachte er, ausgerechnet Harry, nach all den Jahren.
    »Frankie, bist du das?«
    Harry war einmal sein Freund gewesen, zu Grundschulzeiten, und auch noch am Gymnasium bis etwa zur siebten Klasse, ab da hatten sie sich aus den Augen verloren, weil
    Harry einen etwas anderen Weg als Frank eingeschlagen hatte.
    »Harry, lange nicht gesehen«, sagte Frank. Und das ist kein Wunder, dachte er. Das letzte, was er von Harry gehört hatte, war, daß er wegen schwerer Körperverletzung drangekommen war, das war zwei oder drei Jahre her, irgend jemand hatte es erzählt, eine unangenehme Geschichte im Zusammenhang mit einem Spiel von Werder Bremen gegen den HSV, und Harry sollte, so hieß es, ein Messer benutzt haben.
    »Mann, jetzt hätte ich fast das Essen fallen lassen«, sagte Harry. »Gut, daß du das bist, sonst hätte ich dir was aufs Maul gehauen.« Er schaute auf seine Tüte Pommes und hielt sie Frank hin. »Auch was?«
    »Nee, danke«, sagte Frank.
    »Wie geht’s denn so?« fragte Harry.
    »Geht so«, sagte Frank. »Lange nicht mehr gesehen, Harry.«
    »Ja«, sagte Harry.
    Es gibt nicht viel zu sagen, dachte Frank, und das ist auch besser so.
    »Ich wohne nicht mehr hier in der Gegend, ich hab ne eigene Wohnung, in der Nähe vom Bahnhof«, sagte Harry.
    »Das ist gut«, sagte Frank, der nicht wußte, was er sonst sagen sollte. Bei Harry kann jedes Wort das falsche sein, dachte er nervös.
    »Was machst du denn so«, fragte Harry, »bist du noch auf der Schule?«
    »Nee, wieso, ich hab ne Lehre gemacht«, sagte Frank.
    »Lehre, das ist gut«, sagte Harry. Er trug spitze Stiefel, Jeans und eine Jeansjacke mit abgeschnittenen Ärmeln. Auf die Jeansjacke waren allerlei Dinge, den SV Werder, die Hölle und die Ehre betreffend, aufgenäht. »Das ist gut«, wiederholte er. »Was mit Autos?«
    »Wie, mit Autos?«
    »Na die Lehre, was mit Autos?«
    »Ach so, nee, wieso?« sagte Frank, der jetzt nur noch wegwollte. Unter der Jacke trug Harry ein eng anliegendes T-Shirt, und Frank konnte die gewaltigen, mit allerlei Kram tätowierten Muskeln sehen, die sich darunter wölbten. Damit fing alles an, dachte Frank, diese ewige Muskeltrainiererei, diese dauernden Klimmzüge und der ganze Scheiß, dachte Frank, der damals, als Harry damit anfing, gerade das Interesse an Prügeleien endgültig verloren hatte, die Sache war ihm mit fortschreitendem Alter zu brutal geworden, da hatte er sich entschieden, lieber auf den gewaltfreien Trip zu kommen, während Harry aus der veränderten Lage ganz andere Konsequenzen gezogen hatte.
    »Nee, Speditionskaufmann«, sagte er. »Ich muß dann auch mal.«
    »Bei deinem Vater?« fragte Harry. »In der Firma von deinem Alten?«
    »Das ist nicht seine Firma«, sagte Frank. »Der arbeitet da auch bloß. Ich muß dann mal los, da lang, da steht mein Auto und so.«
    Harry ging darauf nicht ein. »So, so«, sagte er. »In derselben Firma wie dein Alter, was?«
    »Ja.«
    »Das ist ja knallhart, Alter.« Harry lachte. »In der Firma von deinem Alten.«
    »Ja«, sagte Frank und lachte höflich ein bißchen mit.
    »Mein Auto ist liegengeblieben«, wechselte Harry abrupt das Thema. »Hab meine Eltern besucht. Springt nicht mehr an. Steht auch da drüben.«
    »Ja klar, mein Auto auch, ist ja auch der Parkplatz«, sagte Frank idiotisch, wie er selber fand, aber bei Leuten wie Harry war es nie falsch, ein bißchen den Deppen zu geben, vor allem, wenn man nicht wußte, worauf Harry hinaus wollte, da war es nicht klug, einfach zu gehen oder ihn sonstwie vor den Kopf zu stoßen. Letztendlich muß Harry entscheiden, wann dieses sinnlose Gespräch zu Ende ist, dachte er, bei Leuten wie Harry sollte man nicht zu sehr auf die Tube drücken.
    »Wo fährst du denn jetzt hin?« fragte Harry.
    »Nach Hause«, sagte Frank, obwohl er sich da
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