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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Autoren: Sven Regner
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die Jung s kletterten mühsam hinaus. Sie gingen wortlos. Das Mädchen nicht- Sie klappte den Sitz wieder nach hinten und schaute noch einmal herein, bevor sie die Tür zuwarf. Das ist der Tag, an dem die Leute noch einmal hereinschauen, bevor sie die Tür zuwerfen, dachte Frank, erst Harry, jetzt die da, und auch sie wird sicher noch irgend etwas Wichtiges und Endgültiges sagen, dachte er, es ist halt so ein Tag, an dem die Leute das machen, dachte Frank, nun sag’s schon, dachte er, während das Mädchen ihn nur anschaute, sie war so klein, daß sie sich kaum zu bücken brauchte, um ins Auto hineinzuschauen. Sie weiß nicht genau, was sie sagen soll, dachte Frank, sie sucht nach einem guten letzten Satz, so einem, wie Harry ihn gebracht hat, naja, dachte er, irgendwie geschieht es mir auch recht.
    »Vielen Dank fürs Mitnehmen«, sagte sie schließlich, und Frank konnte sich nicht entscheiden, ob sie das nun ironisch oder ehrlich meinte.
    »Gern geschehen«, sagte er und versuchte, es ebenso ambivalent klingen zu lassen.
    Das Mädchen warf die Tür zu, und Frank suchte einen Parkplatz.
    Als Stammessen gab es serbisches Reisfleisch, und das war Frank gerade recht, denn er mochte das nicht oder jedenfalls nicht besonders, und gerade darum war es gut, daß es das heute gab, es wäre nicht richtig, dachte er, als er das Angebot studierte, heute noch etwas Leckeres, Gutes zu essen, wer weiß, was es morgen bei der Bundeswehr gibt, dachte er, und je höher man steigt, umso tiefer fällt man, und wenn es heute noch etwas extra Leckeres zum Mittag gibt, dann ist der Schock morgen nur um so härter. Diesen Gedanken fand er so bescheuert, daß er lachen mußte, und lachend ging er an den Büchertischen des Kommunistischen Bundes Westdeutschland, des Kommunistischen Bundes, der KPD/ML, der Marxistischen Gruppe, des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD, des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands und des MSB/Spartakus vorbei und ließ sich serbisches Reisfleisch geben, und dann sah er auch schon weiter hinten im Saal Martin Klapp sitzen und an etwas kauen, das auch wie serbisches Reisfleisch aussah. Da ist er ja, dachte Frank und freute sich, obwohl man sich, dachte er, seinen vorherigen Gedanken wieder aufnehmend, eigentlich nicht darüber freuen sollte, Martin Klapp hier zu treffen, wahrscheinlich wäre es besser, wenn man ganz einsam hier sitzen und ganz allein am serbischen Reisfleisch kauen müßte, das würde einen dazu bringen, sich geradezu nach Veränderung zu sehnen, und sei es nur die, daß man endlich zur Bundeswehr kommt, und dieser genauso bescheuerte Gedanke brachte ihn in eine gewisse Hochstimmung, und er lachte wieder, als er auf Martin Klapp zusteuerte, der, wie er im Näherkommen bemerkte, sein serbisches Reisfleisch nicht einmal mit der Gabel aß, sondern gleich einen Eßlöffel genommen hatte, er stopft es hinein, dachte Frank, er dödelt nicht lange rum, rein damit und gut, und er wünschte sich, während er sich Martin Klapps Tisch näherte, auch er hätte einen Löffel genommen statt einer Gabel, aber man kann nicht immer ganz vorne mit dabeisein, dachte er, das kann nur Martin Klapp.
    »Frankie«, rief Martin Klapp so unaufgeregt und beiläufig, als sei es ganz normal, daß Frank in der Mensa zum Essen auftauchte. Er winkte mit dem Löffel. »Setz dich doch. Ich habe gleich ein Seminar.«
    Frank setzte sich ihm gegenüber. Sonst saß niemand an dem Tisch.
    »Serbisches Reisfleisch, phantastisch«, sagte Martin Klapp mit vollem Mund. »Das bringt den Geist nach vorne.«
    »Auf jeden Fall.«
    Sie aßen eine Zeitlang schweigend.
    »Bei uns zu Hause hieß das immer Risibisi«, sagte Martin Klapp irgendwann.
    »Risibisi ist anders, das ist mit Erbsen«, sagte Frank.
    »Da ist eine Erbse.« Martin Klapp hielt ihm den Löffel hin.
    »Könnte jedenfalls eine Erbse sein.«
    »Könnte auch was anderes sein.«
    »Ja. Ich hab gleich ein Seminar«, sagte Martin Klapp. »Deutsch.«
    Martin Klapp studierte Deutsch und Sport auf Lehramt, so nannte er das. Für Frank hatte das von Anfang an zwei Fragen aufgeworfen: zum einen, wie ausgerechnet Martin Klapp auf die Idee kommen konnte, Lehrer zu werden, und zum anderen, wieso einer, der untauglich für die Bundeswehr war, Sport studieren konnte. Aber dieses Thema sprach er jetzt natürlich nicht an, das hatten sie schon einige Male durchgekaut, und Martin Klapps Antwort auf beide Fragen war immer die gewesen, daß er, Frank, das alles viel zu ernst
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