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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn
Autoren: Marcia Muller
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Hängebacken, die die Eintrittsgelder
eingesammelt hatte. Das Foyer war klein, mit rotem und schwarzem Samt
ausgestattet und in etwas getaucht, was vermutlich sinnliches rotes Licht sein
sollte. Tatsächlich jedoch betonte das Licht nur die abgenutzten Stellen in den
Samtvorhängen und dem Teppich. Von der anderen Seite der Türen, die in das
Parkett des Theaters führten, konnte ich das Gemurmel eines Films hören.
    Als ich eintrat, unterbrach Otis das
Gespräch mit der Frau, runzelte die Stirn und meinte: »Geh lieber wieder zurück
nach draußen, Ruth. Die kommen schon rein, ohne zu bezahlen.«
    Als ich ihn so reden hörte, begriff
ich, wer er sein mußte: Otis Knox, einer der Könige von San Franciscos
Pornoindustrie. Knox gehörte dieses Theater, außerdem noch zwei andere, und
zusätzlich hatte er die Finger in der Filmproduktion und -Verteilung. Er war
einer von einer Handvoll von Filmvorführern — zusammen mit den berühmten
Mitchell Brothers die den Anspruch erhoben, legitime Unternehmer zu sein, die
ein notwendiges und begehrtes Produkt verkauften. In einem kürzlich
erschienenen Zeitungsinterview war Knox hoch zu Roß auf seiner Ranch auf einem
nicht genannten Marin County Gebiet abgebildet worden. Der Artikel zitierte
seine Aussage, daß er ein einfacher Junge vom Lande wäre, der nur versuchte,
anständiges Geld zu verdienen. Er konnte überhaupt nicht verstehen, warum er
immer wieder vom Büro des District Attorneys angegriffen wurde. Er hatte
behauptet, einer Menge Leute Arbeitsplätze zu bieten — einschließlich Frauen,
die sonst wohl auf die Straße gehen würden. Ein Zitat, das mir im Gedächtnis
haften geblieben war, lautete: »Und außerdem beschäftige ich eine Menge
Anwälte. Das ist alles, was der District Attorney mit seinen Belästigungen
erreicht — er stopft Geld in die Taschen meiner Anwälte, die es sowieso nicht
brauchen.«
    Jetzt kam Knox auf mich zu und
verwehrte mir weiteren Zugang. Aus der Nähe konnte ich sehen, daß er älter war,
als es auf der Straße den Anschein gehabt hatte — Ende Vierzig und daß er das
hellbraune Haar nach hinten gefönt hatte in dem Versuch, eine größer werdende
kahle Stelle zu verdecken.
    »Wenn Sie den Film sehen wollen, müssen
Sie bezahlen«, erklärte er und schaute zu der Frau hinüber, die durch eine Tür
zur Kasse verschwand. »Gehen Sie wieder raus, sie wird Ihr Geld gern annehmen.«
    »Ich bin nicht an dem Film
interessiert, Mr. Knox. Ich hätte gern mit Ihnen gesprochen.«
    »Wenn Sie Reporterin sind: Ich gebe
keine Interviews ohne Verabredung. Rufen Sie an, und lassen Sie sich einen
Termin geben.«
    »Ich bin keine Reporterin.« Ich zog
eine Fotokopie meiner Lizenz hervor und reichte sie ihm.
    Er hielt sie in dem dämmrigen Licht
hoch und blinzelte. Dann verzog sich sein schmales Gesicht vor Zorn. »Himmel!
Jetzt auch noch so was! Wer hat Sie angestellt?«
    »Niemand, der Interesse an Ihnen oder
Ihrem Geschäft hat. Ich war Zeuge der Szene zwischen Bruder Harry und dem Mann,
den Sie Jimmy genannt haben. Ich würde gern mit Ihnen über die beiden sprechen.«
    Sein Zorn wurde zu Verblüffung, und er
gab mir die Kopie zurück. »Sie wollen über diese Kerle reden? Warum das denn?«
    Ein Pärchen, leicht als Touristen zu
erkennen — sie schleppte eine riesige Nylontasche, er hatte sich eine Kamera
über die Schulter gehängt — kam herein. Die Frau hielt sich deutlich zögernd
zurück. »Gibt es einen Ort, an dem wir uns besser unterhalten können?« fragte
ich.
    Knox zuckte die Achseln, drehte sich
dann um und steuerte auf eine Tür mit der Aufschrift ›büro‹ zu. »Also schön, ich habe ein paar Minuten Zeit und
ohnehin nichts Besseres zu tun.«
    Das Büro war eine kleine Zelle,
vollgestopft bis obenhin mit dem Zeug, das manche Leute als Sammelobjekte
bezeichnen. Die Wände waren mit Schildern bedeckt — Straßenschilder,
Halteschilder, Schilder von arbeitenden Männern. Auf Regalen standen alte
Bierdosen, einzelne Glieder von Schaufensterpuppen, hölzerne
Zigarrenschachteln, ein Automat für Kaugummikugeln, aber ohne die Süßigkeiten,
Coca-Cola Gläser, ein Tonkrug voller Murmeln, ein Stapel Comic Bücher von Uncle
Scrooge, verschiedene Flaschen und eine Lockente. Von der Decke hing ein
Fischernetz voller Glaskugeln, Korken und Muscheln. Es gab einen
Stahlschreibtisch, der von Papieren übersät war, und davor zwei Stühle — auf
einem davon lag ein Sattel. Knox winkte mich zu dem anderen Stuhl und ging
selbst um den Tisch herum.
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