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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme
Autoren: Léo Malet
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für sehr
reich... Du gehst also am Dienstagmorgen zu ihm in die Rue Desnouettes, klopfst
an seine Tür, er springt aus dem Bett. Durch den Rausch vom Vorabend hat er den
Hintern noch nicht hochgekriegt. Du sagst keinen Ton, wirfst die 10000 Francs
auf den Tisch, damit er dich endlich in Ruhe läßt. Was ich nicht kapiere: Die
Scheine duften nach einem Parfüm, das du gar nicht benutzt!“
    „Früher hab ich’s benutzt. Thévenon mochte es.
Als ich zu Barton ging, hab ich das Geld in eine alte Handtasche gesteckt.
Warum, weiß ich nicht. Es war noch ein Fläschchen Dernier Soir von
früher drin, ganz unten. In der Metro bin ich mit jemandem zusammengestoßen,
und das Fläschchen ist ausgelaufen.“
    „Du leugnest also nicht mehr?“ fragte ich.
    „Hab ich denn jemals irgendwas geleugnet?“
hauchte sie.
    „Dann erzähl mal weiter! Ich bin’s leid, immer
nur ein Puzzle zusammenzusetzen.“
    „Ich wollte ihn nicht töten“, sagte Lydia
tonlos. „Ich wollte mir nur meine Ruhe erkaufen... Hab sogar vorgeschlagen, ihm
von Zeit zu Zeit eine bestimmte Summe zu zahlen. Ich wollte nur in Ruhe
gelassen werden.“
    „So große Angst hattest du vor ihm, daß du
selbst dich auf eine zeitlich unbegrenzte Erpressung eingelassen hast?“
    „Ich weiß es nicht... Ja, ich hatte immer Angst
vor ihm...“
    „Darum konnte er auch so sicher sein, daß du zu
der Verabredung kommen würdest. Nicht mal nach deiner Adresse hat er sich
erkundigt...“
    „Ich glaube, er wußte über mich bestens
Bescheid. Wie hätte er mir sonst vor Irma und Denise auflauern können?“
    „Er hat dir nicht aufgelauert! Ihr seid euch
rein zufällig begegnet.“
    „Zufall oder nicht, ich wär auf jeden Fall zu
ihm gegangen.“
    „Und du hast ihn damals mit Thévenon betrogen?
Trotz der Angst, die du vor ihm hattest?“
    „Als ich Barton kennenlernte, war ich noch ein
halbes Kind. Die Ernüchterung kam schnell... und war sehr groß. Thévenon
dagegen hat mich nett und zuvorkommend behandelt. Ganz anders als Barton... Ich
weiß nicht, ob ich den jemals geliebt habe...“
    „Und?“
    „Was ,und’?“
    „Barton. Was hat er gesagt, als du ihm das Geld
auf den Tisch geschmissen hast?“
    „Gelacht hat er und gesagt: ,Hör mal, mach dich
nicht lächerlich!’ Und ist auf mich zugekommen. Ich begriff, was er von mir
wollte. Nicht wieder mit mir zusammenleben, nein, sondern nur... jetzt sofort..
    „Nein.“
    Mein Einspruch brachte Lydia noch mehr aus der
Fassung. Sie sah mich mit leidendem Blick an. Zwei Falten zogen sich
symmetrisch von der Nase abwärts und machten das Mädchen um zehn Jahre älter.
Verzweiflung verdüsterte ihre wunderschönen braunen Augen. Sie drückte meine
Hände.
    „Ich belüge dich nicht“, schluchzte sie. „Jetzt
nicht mehr, ich schwör’s dir...“
    „Ich sage auch nicht, daß du lügst. Ich hab nur
gesagt: Nein, er wollte nicht wieder mit dir zusammenleben. Er wollte nur das
eine: die Goldbarren! Oder den Gegenwert in Banknoten, 1oo oo Francs! Da konnte
er wirklich nur lachen. Er hat dich die ganze Zeit über für die verschleierte
Frau gehalten, die zu Thévenon ins Taxi gestiegen war. Denn du warst ja die Geliebte
seines ehemaligen Chefs. Und alle haben geglaubt, daß die Frau aus dem Taxi
wußte, wo die Goldbarren versteckt waren. Barton ist es nie in den Sinne
gekommen, daß Thévenon polygam gewesen sein könnte.“
    Wir schwiegen eine Weile. Dann fuhr Lydia mit ihrer
Schilderung fort:
    „Ich bin zurückgewichen, bin gefallen
    „Du hast immer noch einen blauen Fleck am Knie.
Ich dachte, den hätten dir der Fliehende und sein Boxer verpaßt.“
    „Im Fallen bin ich gegen etwas Hartes gestoßen.
Es war in der Jacke, die über dem Stuhl hing. Ich weiß nicht, was ich gedacht
habe. Habe ich überhaupt gedacht? Jedenfalls hatte ich plötzlich die Waffe in
der Hand. Das Ganze hat vielleicht eine Sekunde gedauert. Und dann hab ich
geschossen... zweimal
    „Um genau fünf vor elf! In diesem Augenblick
rasierte nämlich eine Maschine der Luftwaffe die Dächer. Daß sich keiner
der Zeugen erinnern konnte, ist klar: So was kommt häufiger vor, man achtet gar
nicht mehr darauf.“
    „Er stürzte zu Boden“, fuhr Lydia fort, „ohne
einen Schrei... Ich hab den Revolver eingesteckt... Ich wußte nicht mehr, was
ich tat. Vielleicht wollte ich eigentlich das Geld einstecken, das auf dem
Tisch lag. Nur eins wurde mir blitzartig klar: Ich war frei! Und ich wollte
diese Freiheit um jeden Preis verteidigen. Die ganze letzte
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