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Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme
Autoren: Léo Malet
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aufschlug. Ende der
Vorstellung!
    Ich beeilte mich, zurück in mein Büro zu kommen.
Jetzt konnte ich mit Bestimmtheit sagen, zu welcher Uhrzeit Barton umgebracht
worden war. Gleichzeitig zerstreute das die letzten Zweifel an der Identität
des Mörders.
     
    * * *
     
    In der Agentur warteten Reboul und Hélène.
Monsieur Thiry hatten sie hinauskomplimentiert.
    „Glauben Sie, er hält die Klappe?“ fragte ich
Reboul.
    „Ganz bestimmt“, versicherte mir der Einarmige.
„Der konnte gar nicht schnell genug das Weite suchen! Muß ihm wohl ziemlich
gefährlich vorgekommen sein, das Ganze hier. Er wird bestimmt nicht darüber
sprechen.“
    „Das solltet ihr zwei auch nicht tun“, ermahnte
ich meine Mitarbeiter. „Gaillard ist vom Dach gefallen. Trotz der Kälte wird
seine Leiche jede Menge Schmeißfliegen anziehen.“
    Hélène schluchzte auf. Achselzuckend ging ich in
mein Büro. Mein erster Blick galt der Schublade, die ich abgeschlossen hatte.
Sie stand offen. Ich wurde blaß. Fluchend öffnete ich die Schublade. Der
Revolver, den ich in der Rue Lecourbe gefunden hatte, lag nicht mehr an seinem
Platz!
    Ich rannte zurück in Hélènes Büro.
    „Wer war an meinem Schreibtisch?“ brüllte ich
meine Sekretärin an. „Wer hat die Schublade geöffnet?“
    Hélène sah zu mir auf. Die Wimperntusche war
verlaufen und hatte zwei schwarze Furchen auf ihr Gesicht geschmiert.
    „Wer?“ schrie ich. „Verdammt nochmal, antworten
Sie! Wer war da drin?“
    „Faroux!“ brüllte sie zurück. Ihre Stimme kippte
beinahe um. Vielleicht wurde ein hysterisches Lachen draus. „Das hab ich ganz
vergessen. Er war hier, bevor Sie zurückkamen. Wollte auf Sie warten, ist dann
aber doch gegangen... Wenn er was mitgenommen hat, wird er wohl seine Gründe
gehabt haben...“
    Sie vergrub sich wieder in ihr Taschentuch. Ich
schwankte, als hätte man mir mit dem Hammer vor den Kopf geschlagen. Mein Zorn
verrauchte. Ich hörte auf, Hélène zu schütteln. Meine Hände lagen immer noch
auf ihren Schultern. Tröstend versuchte ich, sie zu streicheln.
    Unten auf dem Boulevard kam ein Polizeiwagen
angerast, gefolgt von der Ambulanz. Laurent Gaillard trat seine letzte Reise
an.
    Leise sagte ich zu Hélène:
    „Sind Sie mir sehr böse?“
    Statt einer Antwort schob sie meine Hand von
ihrer Schulter. „Verzeihen Sie mir“, flüsterte ich. „Aber Sie sollten sich vor
der Liebe in acht nehmen!“
    Daß ich selbst diesen Rat besser auch befolgt
hätte, verschwieg ich.

20

Enträtselung
     
    Zum dritten Mal innerhalb einer Viertelstunde
läutete das Telefon.
    „Geht das noch lange so?“ fragte ich Lydia
ungeduldig. „Leg den Hörer doch daneben, wenn du sowieso nicht abheben willst.“
Halb ärgerlich, halb wütend sah sie noch reizender als gewöhnlich aus. Sie saß
zusammengerollt in einem Sessel neben dem Ofen und las etwas, ohne sich darauf
zu konzentrieren. Mein seltsames Benehmen war ihr so langsam unheimlich.
Seitdem sie bei mir wohnte, war ich nicht grade gesprächig.
    „Genau das werd ich machen“, griff ich ihren
Vorschlag auf. „Werd einfach den Hörer daneben legen. Der Kerl hat schon
angerufen, bevor wir nach Hause gekommen sind, und er wird so bald nicht
aufgeben. Er soll endlich kapieren, daß ich zu Hause bin, aber nicht ans
Telefon gehen will. Vielleicht bequemt er sich dann her.“
    Lydia zeigte auf den Apparat, der nur darauf
gewartet zu haben schien, um von neuem zu läuten.
    „Weißt du denn, wer er ist?“
    „Nestor Burma weiß alles.“
    Ich holte ein Päckchen Zigaretten hervor.
    „Ach, sieh an! Du wirst deiner Pfeife untreu?“
stellte Lydia erstaunt fest.
    „Nein, die sind für dich.“
    „Ich rauche nicht.“
    „Trotzdem hast du Zigaretten in deiner Tasche.“
    „Hin und wieder...“
    „Ja, genau, wie alle andern! Hin und wieder.
Unter ganz bestimmten Umständen. Wie jetzt zum Beispiel. Los, nimm eine! Du
mußt eine Entscheidung treffen.“
    „Versteh ich nicht.“
    „Gleich wirst du’s verstehn. Barton ist nämlich
doch von seiner Ex-Frau umgebracht worden!“
    „Was?“ rief sie entsetzt. „Von meiner
Schwester?“
    „Von deiner Schwester? Daß ich nicht lache! Mir
ist nicht danach... Hör zu!“
    Ich zog einen Stuhl ran, setzte mich neben sie
und nahm ihre Hand. Ihre schmalen Finger mit den lackierten Nägeln zitterten
leicht. Ich konnte mit meinem Monolog beginnen.
    „Ich hab dich mehr als einmal mit ‘ner Zigarette
im Mund gesehn. Zum ersten Mal in dem Luftschutzkeller. Dann in
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