Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
Kleinen die Straße hinauf.
    Jedes Haus kannte sie hier, jeden Baum. Alles gute, alte Bekannte und doch - fremd geworden. Die stattliche Blautanne dort drüben auf dem Rasenrondell war ein winziges Bäumchen gewesen. Hier dieses Landhaus hatte einen neuen Anstrich bekommen. Verändert so manches und doch heimatlich vertraut. Die Dame stand still. Sie preßte die Hände gegen das klopfende Herz. Wie würde sie ihn finden, den Vater? Würde sie ihn überhaupt noch finden?
    »Weiter, Mammi, wir wollen zur Omama.« Kinderhände zogen die Zagende vorwärts. Und nun stand sie an dem väterlichen Garten.
    Da lag es, das Rosenhaus - ihr Vaterhaus. Still und friedlich in Rosen gebettet, als sei die Zeit spurlos an ihm vorübergeschritten. Das suchende Auge der spähenden Frau überflog die Terrasse. Leer. Dort die alte Linde, und darunter - da saßen sie, die zwei, zu denen jeder sehnsüchtige Gedanke in all den langen Jahren gezogen war: Der Vater - er lebte! Und daneben die Mutter, ihre Muzi. »Ursel!«
    Der Geheimrat fuhr erschreckt empor. Da sah er seine Frau bereits den Garten durchjagen, dem Gartentor zu. Und da - der alte Geheimrat zog mit einer ihm ganz fremden Hast seine schärfste Brille hervor - ach, was brauchte es die Brille!
    »Muzi, mein Muzichen!« diese jubelnde Stimme gehörte nur einer. Sie war da - sein Ursele war da!
    Was dachte der Geheimrat daran, daß ihm jede Aufregung streng untersagt war, daß er nur am Arm seiner Frau bisher die Gartenwege langsam durchschritten hatte.
    Schon schwang er mit alten Kräften den kleinen, verdutzten Blondkopf durch die Luft. »Jungeli, Hansel - kennst den Großvater nimmer, gelt?« Schon wanderte Ursel aus dem Arm ihrer Muzi in den des Vaters. »Vaterle! - Gottlob, daß ich dich so frisch wiedersehe!«
    »Viel länger Zeit hätt'st dir auch nit lassen dürfen, Ursele. Unser Herrgott hatte bereits zum Abmarsch geblasen. Eine Schand' ist's, daß dich all die Jahre nimmer um deine alten Eltern gekümmert hast ...«, so polterte der alte Herr, um seine Rührung zu verbergen. Kein Wort konnte Frau Annemarie, die lebhafte, sprechen. Still, ganz still hielt sie ihr Kind am Herzen.
    »Mein Vaterle - kleine Muzi ...«, die eine Hand bekam der Vater, die andere die Mutter. »Bin ich denn wirklich wieder daheim? Junge, Hansel, wir sind daheim in Deutschland!« Das Kind hatte mit großen Augen das Wiedersehensglück mit angeschaut. Zutraulich schmiegte es sich an die fremde Omama.
    »Wo sind Nita und Jetta, wo sind Homer und Jimmy?« fragte er in portugiesischer Sprache. »Sie müssen bald kommen - was werden die Kinder nur sagen! Urselchen, Kind, warum hast du nicht telegrafiert oder aus Hamburg angerufen? Dann hättet ihr alles empfangsbereit vorgefunden.« Die Hausfrau erwachte jetzt trotz des kaum faßbaren Glücksgefühls in Frau Annemarie.
    »Um euch nicht wieder enttäuschen zu müssen. Als mir Jettas Telegramm Vaters Erkrankung meldete ...«
    »Was, der Tausend! Das Mädel hat ein Telegramm nach Brasilien gesandt?« unterbrach sie der Geheimrat.
    »Da entschloß ich mich sofort, mit dem nächsten Schiff hinüberzufahren. Milton hat mir in selbstloser Weise alle Wege geebnet. 'Aber gedrahtet wird nicht; du fährst und bist da', empfahl er mir. Ach, was war das für eine Fahrt in die Ungewißheit hinein. Selbst in Hamburg konnte ich den Mut nicht aufbringen, anzurufen.«
    Ja, das war die Ursel, stürmisch und zärtlich, ganz wie einst. Die Mutter konnte sich nicht satt sehen an ihrer nun recht fraulich veränderten Tochter. Es war, als ob die jähe Freude der impulsiven Frau Annemarie den Mund schlösse. »Mein Urselchen!« sagte sie nur hin und wieder und hielt ihre Hand ganz fest. »Jahrelang habe ich mir unser Wiedersehen ausgemalt, nun hat es mich doch überrumpelt.«
    »Arg überrumpelt. Nicht einmal eine Tasse Kaffee bekommt unsere Kaffeekönigin nach der langen Reise vorgesetzt. Annemie, Fraule, was sollen die Tropenleut von deutscher Gastfreundschaft denken.« Der alte Herr war wie ausgewechselt.
    »Himmel! Vor lauter Freude lass' ich mein Urselchen und unsern kleinen Hansel verhungern. Frau Trudchen soll sogleich ...« aber Ursel war schneller als die Mutter. Sie drückte sie wieder in ihren Korbsessel zurück. »Laß, Muzichen, ich bestelle mir selbst meinen Kaffee und sage Frau Trudchen gleich dabei 'Guten Tag'. Ihr sollt nicht denken, die faule Ursel von früher sei wieder da.« Da eilte sie auch schon, Juan mit sich ziehend, leichtfüßig dem Hause zu.
    Gleich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher