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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel
Autoren: Else Ury
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mehr gut für den Großpapa, wenn wir sind fort; dann hat er Ruhe«, versuchte Anita die Schwester aufs neue zu überreden.
    »Man muß auch leise und rücksichtsvoll sein, wenn man hier ist, Nita. Was hat dich denn so in Harnisch gebracht, Kind?«
    »Jetta will nicht gehen mit nach Warnemünde. Sie will bleiben hier, zu pflegen gesund den Großpapa. Aber du bist ja dafür da, Großmama, und Frau Trudchen und Homer. Wir sind Zwillinge, wir gehören beisammen.« Es klang in befehlendem Tone.
    Marietta wandte sich jetzt bittend an die Großmama: »Ich will bleiben hier. Ich will sorgen, daß die liebe Großmama nicht wird krank auch. Es macht mir nicht Freude, zu gehen jetzt fort für Vergnügen, wenn du bist in Sorge, Großmama.«
    »Du gehst nicht zum Vergnügen, sondern zu deiner Erholung fort, mein Liebling«, stellte die Großmama fest.
    »Siehst du, die Großmama will gar nicht haben dich hier«, triumphierte Anita. »Komm schnell, Homer soll packen die Koffer.«
    »Ist es wahr? Will die liebe Großmama nicht haben mich?« Bang hingen die tiefschwarzen Mädchenaugen an den strahlendblauen der Großmama.
    »Seelchen, es wird mir schwer genug, dich fortzulasen. Nur deiner Erholung wegen.« »Dann ich bleibe hier!« Nie zuvor hatte Marietta der Schwester gegenüber so energisch ihre Selbständigkeit vertreten.
    Freilich, als es dann am nächsten Tage zum Abschied kam, fühlte Marietta doch ein leises Weh im Herzen, daß sie sich zum ersten Male im Leben von der Zwillingsschwester auf längere Zeit trennte.
    »Wenn du hast Sehnsucht, du fährst mit Eisenbahn hinterher«, hatte Anita ihr noch lachend aus dem Abteilfenster zugerufen.
    O ja, manchmal hatte Marietta Sehnsucht nach der schönen, übermütigen Schwester. Manchmal fehlte ihr die lustige Genossin. Denn es war jetzt recht still in dem Lichterfelder Rosenhaus geworden. Nur schwer erholte sich der Großpapa. Zwei Schritte ging es vorwärts und drei zurück, wie er niedergedrückt zu sagen pflegte.
    Aber wenn Marietta zu ihm trat und ihm mit scheuer Zärtlichkeit über die Hand strich, klärte sich seine mißmutige Miene auf. »Das Annele ist strahlend wie Sonnenschein, aber's Mariele hat dafür die Wärme der lieben Sonne. Die tut einem wohl«, so sprach er zu seiner Frau Annemarie.
    Diese Sommertage der langsamen, von Hoffnung und Zagen unterbrochenen Genesung schmiedeten ein festes Band um Großeltern und Enkelin. Das verwöhnte Kind der Tropen nahm der Großmama bald eine Obliegenheit nach der andern aus den Händen. Sie versuchte, dem Patienten die Erfrischungen ebenso nett darzureichen, wie das die Großmama tat. Sie las ihm die Zeitung vor und brachte ihn durch ihr noch nicht fehlerfreies Deutsch gar oft zur Heiterkeit.
    »Ich bin abgesetzt«, sagte die Großmama manchmal mit ihrem gütigen Lächeln. Aber sie ließ sich diese Absetzung nur zu gern gefallen. Ja, die Fürsorge, welche die junge Enkelin ihr persönlich angedeihen ließ, sei es durch eine Fußbank oder durch ein Tuch bei Abendkühle, tat ihrem Herzen wohler als ihrem Körper.
    Von früher erzählte die Großmama der lauschenden Enkelin, von dem gemütlichen Arzthaus in Charlottenburg, in dem sie als kleines Nesthäkchen mit den Brüdern herumgetobt hatte, von dem eigenen Nest mit den munteren Küken. Nein, das konnte sich Marietta gar nicht vorstellen, daß der Onkel Hans, und vor allem die respekteinflößende Tante Vronli, solche ausgelassenen Wildfänge gewesen waren. Von ihrer eigenen Mammi konnte sie sich das noch am leichtesten denken, war diese doch stets die heitere, lachende Kameradin ihrer Kinder.
    Aber auch Marietta mußte erzählen. Von der Mammi mußte sie berichten. Immer wieder dasselbe. Nicht oft genug konnten die Großeltern es hören. Und dann pflegte die Großmama wohl mit unterdrücktem Seufzer zu sagen: »Man soll sich keine Zeit fort wünschen. Aber ich wollte doch, es wäre erst Herbst.«
    Oft hatte Marietta es auf der Zunge zu sagen, daß sie ein Telegramm nach Brasilien geschickt habe. Aber sie wollte nicht eine Hoffnung entzünden, die sich vielleicht nicht verwirklichte. War das Telegramm doch ohne Antwort geblieben.
    Die Großmama sorgte dafür, daß Marietta auch mit Altersgenossinnen zusammenkam, obwohl die Enkelin ihr immer wieder versicherte, am schönsten sei es bei der lieben Großmama. Nein, ein junges Mädchen mußte herauskommen, das durfte nicht Tag für Tag bei alten Leuten sitzen. Noch dazu in den Ferien. Anita schrieb von der Waterkant, wo sie jetzt in
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