Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest

Titel: Nesthäkchen 06 - Nesthäkchen fliegt aus dem Nest
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
gern jeden einzelnen so froh stimmen, wie sie es selbst war. Und ihre »Mutti« vor allem.
    »Muttichen, ich gehe jetzt in die Küche und helfe der Hanne. Sie backt Pfannkuchen zum Geburtstagskaffee. Und das Roastbeef könnte ich heute mittag vielleicht machen«, schlug sie eifrig vor.
    »Der Himmel bewahre uns in Gnaden!« Klaus faltete die Hände und blickte mit verdrehten Augen zur Stubendecke empor.
    Und Mutter machte ein bedenkliches Gesicht. Sie mochte den Geburtstagskuchen und den Braten nicht gern preisgeben.
    »Lotte, heute ist wirklich kein Tag dazu, deine hauswirtschaftlichen Studien zu beginnen. Es können doch Gratulanten kommen. Wenn du in einem Jahr wieder daheim bist, dann magst du das Versäumte nachholen!«
    Annemarie war einverstanden.
    Bald kamen auch Gratulanten. Zuerst die Großmama. Die stand, nachdem sie sich all ihrer guten Wünsche, all der zärtlichen Küsse und des Fotoapparates, den Annemarie sich seit Jahren gewünscht hatte, unter heller Begeisterung der Enkelin entledigt hatte, kopfschüttelnd vor dem Geburtstagstisch.
    Was bedeutet denn diese geheimnisvolle Inschrift?« Sie schaute fragend auf Klaus’ Kunstprodukt.
    »Geheimnisvoll – das ist doch klar wie Kloßbrühe, Großmuttchen. Bald geht’s nach Tübingen auf die Universität – juchhu!« Annemaries lauter Juchzer ließ die alte Dame erschreckt zusammenfahren.
    »Wa-as?« Großmama traute ihren Ohren nicht. »Fortgeben wollt ihr euer Kind, Elsbeth?« Mit verständnislosem Gesicht wandte sie sich an die Tochter.
    »Ja, was sollen wir machen? Das Mädel gibt ja keine Ruhe. Nun mag sie mal sehen, wie es ihr anderswo gefällt. Leicht wird es uns nicht, unser Nesthäkchen fortzulassen«, setzte Frau Braun leiser hinzu.
    Noch eine schloß sich der »Gegenpartei« an. Das war Großmamas Schwester, Tante Albertinchen. Nein, wie konnte ihre Nichte Elsbeth nur dazu ihre Einwilligung geben! Das ,,Kind« schutzlos allein in der großen Welt – was für Gefahren lauerten da auf Schritt und Tritt.
    Es kamen aber auch Gratulanten, die Annemaries Jubel durchaus begreiflich fanden und freudig darin einstimmten. Das waren natürlich in erster Linie die beiden Reisegenossinnen Marlene und Ilse. Die blonde Ilse brach sogar, als Annemarie sie ohne weitere Erklärung vor das inhaltsvolle Plakat führte, in begeistertes »Hurra!« aus.
    »Heute in acht Tagen sind wir schon unterwegs. Kinder, ich freue mich ja diebisch.« Ilse küßte abwechselnd Annemarie und Marlene.
    »Mir auch einen!« Klaus steckte seinen Kopf dazwischen. Er erhielt aber nur einen Nasenstüber. Der Student stand mit sämtlichen Freundinnen der Schwester auf Neckfuß. Annemarie behauptete sogar boshafterweise, daß er in eine nach der anderen verschossen gewesen sei, immer abwechselnd.
    Aber wenn die Reihe um war, kehrte sein leicht entzündbares Studentenherz doch immer wieder zu Ilse Hermann zurück.
    Marianne Davis, die ebenfalls mit den drei Mädeln zusammen das Gymnasium besucht hatte, sah mit geteilten Gefühlen die Zukunftsfreude der drei Glücklichen.
    Sie gönnte ja den Freundinnen das gemeinsame Studienjahr in Tübingen – aber freilich! – nur – nur – sie wäre eben auch gar zu gern dabei gewesen. Ihre Eltern hatten nichts davon wissen wollen, Marianne studieren zu lassen. Chemische Laborantin sollte sie werden, dazu brauchte sie nur eine anderthalbjährige Fachausbildung. Bis jetzt war Marianne mit diesen Zukunftsplänen auch durchaus einverstanden gewesen. Nur heute, da die andern drei die Schwingen regten zum selbständigen Flug in die Welt hinein, kam sie sich wie ein im Bauer gefangenes Vögelchen vor.
    Dabei blieben doch die beiden Freundinnen Margot Thielen und Vera Burkhard ebenfalls daheim. Margot, die in demselben Hause mit Brauns wohnte, konnte den Jubel der Freundinnen gar nicht begreifen. O Gott, schrecklich wäre es ihr, wenn sie ohne Vater und Mutter allein in eine fremde Stadt müßte. Totgraulen würde sie sich. Wie konnte die Annemarie sich nur so freuen! Vera Burkhard, Annemaries liebste Freundin, hatte das glückliche Geburtstagskind schweigend geküßt, dann hatte sie sich schnell zum Fenster gewandt, damit Annemarie es nicht merken sollte, daß ihr die bevorstehende Trennung Tränen in die Augen trieb. Annemarie aber brauchte die glänzenden Tropfen an den langen schwarzen Wimpern der Freundin nicht zu sehen. Die empfand es auch ohnedies, daß Vera betrübt war.
    »Verachen, ein Jahr ist ja nicht lang. Und wir schreiben uns oft. Denke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher