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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit
Autoren: Else Ury
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Großmama ein.
    »Überhaupt, wo die Grippe jetzt so verbreitet ist. Man hat was weg, ehe man's denkt«, stimmte Tante Albertinchen ein.
    Aber das Backfischchen lachte alle Bedenken der alten Damen fort. Was ... am hellichten Tage sollte sie sich ins Bett legen, wo sie kerngesund war ... nee, das war nichts für Nesthäkchen. Im Freien trieb einem die Kälte das Blut rascher durch die Adern, da wurde einem ganz warm. So behauptete es Fräulein Grünschnabel, und übermütig ihre Pelzkappe schwenkend, war sie davon.
    Na, allzu warm war es gerade nicht auf der Straße. Die Kälte stach wie mit Nadeln. Die Fußgänger hatten Mantel-oder Pelzkragen bis über die Ohren hochgeschlagen. Sie trippelten wie auf einem Gletscher. Denn in Tausenden von Eiskristallen blitzte und funkelte die weiße Straße.
    Nesthäkchen nahm den Weg zur elterlichen Wohnung. Erst mußte sie hören, ob ihre Mutti eine gute Nacht gehabt hatte und ob es ihr besser ginge. Die Vordertreppe wagte sie sich noch immer nicht hinauf, aus Furcht, vom Vater erwischt zu werden. Im Hof war der Hausmeister gerade dabei, Kohlen von einem Handwagen abzuladen. Sein kleiner Pflegesohn half ihm dabei.
    »Du, Mäxchen, wo habt ihr denn die Kohlen her?« Annemarie blickte mit so begehrlichen Augen auf die schwarzen Steine, als ob sie aus Schokolade wären.
    Ha' mer uns jeholt.«
    »Woher denn, Max?«
    »Det sag' ick nich ... det sag' ick nich.« Der Junge sprang vor Vergnügen oder vor Kälte von einem Bein auf das andere.
    »Du, Max, ich hab' 'nen Bonbon. »Annemarie grabbelte mit erstarrten Fingern in ihrer Tasche herum.
    Jetzt machte der Junge begehrliche Augen.
    »Wo denn? Ach, Se haben ja jar keenen, Se schwindeln mich ja bloß was vor«, rief er ungezogen.
    Wirklich, Annemarie fand den gesuchten Bonbon nicht mehr. Sie mußte ihn sich wohl schon selbst zu Gemüte geführt haben.
    »Mäxchen, ich bringe dir morgen eine ganze Tüte voll mit, wenn du mir sagst, woher ihr die Kohlen habt«, versprach das junge Mädchen.
    Aber statt zu antworten, machte der Bengel ihr eine lange Nase, und weg war er, in die Hausmeisterwohnung hinein.
    Annemarie beschloß, sich an den Hausmeister selbst zu halten.
    »Ach, Herr Kulicke«, bat Annemarie, als der Mann sich wieder im Hof zeigte, um eine neue Ladung zu verstauen, »wo bekommt man denn Kohlen?«
    Der Hausmeister war eigentlich als Grobian im Hause verschrien. Aber Nesthäkchen mit den strahlenden Blauaugen hatte es ihm wie jedem andern angetan. »Na, Fräuleinchen, weil Sie's sind ... von'n Nordhafen habe ich se in aller Herrjottsfrühe heute schon herjekarrt. Was meine Ollsche is, die hätt' sonst heute morjen keen Droppen Kaffee nich kochen können.«
    »Ach, lieber Herr Kulicke, könnten Sie mir nicht ein paar Kohlen abgeben?« bettelte Annemarie. »Meine Großmutter muß heute im Bett bleiben, weil sie kein warmes Zimmer hat.«
    »Wir haben ooch tagelang frieren müssen. Nu können die Reichen ooch mal sehen, wie dis is.«
    Vater hatte recht: Der Kulicke war doch ein Grobian, dachte Annemarie. Trotzdem versuchte sie noch einmal ihr Heil. »Wir würden es Ihnen gut bezahlen, Herr Kulicke, wenn Sie uns auch solch einen Wagen mit Kohlen besorgten.«
    »Wenn ihr Kohlen haben wollt, holt se euch jefälligst alleene. Ihr werdet schon nich frieren, wenn ihr Kohlen schleppen dut wie unsereins. Hahaha ...«
    »Ich würde ja gern selbst Kohlen holen, aber ich habe doch keinen Wagen«, meinte Nesthäkchen kleinlaut.
    »Den würd' ich Ihn' schon borjen«, lenkte der Mann ein, als er das betrübte Gesichtchen Annemaries sah. »Aber allein könn'n Se den schweren Wagen nicht ziehen. Was Ihre Herren Brieder sind, die kennen anfassen.« Damit nahm Kulikke seine Last auf den Rücken.
    Klaus ... ja, Klaus mußte mit zum Nordhafen. Der hatte Kräfte. Der mußte für die Großmama Kohlen fahren helfen.
    »Hanne, wie geht's Mutti heute?« Atemlos stieß Annemarie es hervor, so schnell war sie die zwei Treppen hinaufgelaufen.
    »Ihre Mutti, die is janz mobil. Aber ...«
    »Ist Klaus da, Hanne? Rufen Sie ihn doch mal raus.« Annemarie war ganz erfüllt von ihrer Absicht.
    »Ja, dasein tut er schon. Aber rufen kann ich ihn nicht. Der Herr Klaus nämlich, den hat's jestern abend doll jepackt.«
    »War er in der Kneipe? Hat er wieder mal 'nen Kater?«
    »Nee, aber die Jrippe hat er. Und zwar janz jehörig. Und wenn de hier noch lange rumstehst, Annemiechen, denn kriegt se dir auch bei'n Schlafittchen.« Hanne machte Miene, sie schon wieder
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