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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit
Autoren: Else Ury
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auszusperren.
    Aber Nesthäkchen klemmte den Fuß zwischen die Tür. »Einen Augenblick, Hanne, ist Hans vielleicht noch da?«
    »Nee, Annemiechen, der is schon über 'ne Stunde aufs Jericht. Aber nu jeh, Annemiechen, ich hab' keine Zeit nich. Bei uns is jetzt das reine Lazarett. Drei Patienten hab' ich zu pflegen. Aber so 'ne Krankenschwester, wie se drüben bei Thielens überall das jroße Wort fiehrt, die kommt mir hier nich rein.«
    »Werden Sie bloß nicht auch noch krank, Hanne!«
    »I, wo werd' ich denn ... aber nu jeh hübsch bei deine Frau Jroßmama'n, Annemiechen.« Die Tür flog wieder ins Schloß.
    Annemiechen aber ging nicht »bei ihre Frau Jroßmama'n«, sondern in die Hausmeisterloge zu Herrn Kulicke.
    »Was mach' ich denn nun bloß, Herr Kulicke? Mein Bruder Klaus ist krank, er hat die Grippe. Und mein ältester Bruder ist schon auf dem Gericht. Kann ich denn den Wagen wirklich nicht allein ziehen?«
    »Nee, was nich jeht ... jeht nich. Aber'n Kinderwagen von Mäxeken wer' ich Ihn' jeben. Da kennen Se jut und jerne 'n Zentner Preßkohlen drin holen.«
    »Ach, lieber Herr Kulicke, ist das nett von Ihnen.« Annemarie drückte dem Hausmeister glückselig die Hand.
    Der ziemlich wackelige Kinderwagen wurde hervorgeholt, und Annemarie ließ sich den Weg zum Nordhafen beschreiben. Dann zog sie mit ihrer Kiste los.
    Am Hause von Vera führte der Weg vorüber. Halt ... Vera mußte mitkommen. Allein war der Winterausflug in den Norden Berlins ein wenig unbehaglich. Aber mit der Freundin zusammen, das war ganz etwas anderes. Da machte sogar das Frieren Spaß.
    »Fein ... daß du kommen zu mich, Annemie«, empfing Vera sie erfreut. »Ich haben gewillt ... gewollen dich holen, weil heute wiederr ist warrm bei mich.«
    »Drei Fehler in zwei Sätzen. Vera Burkhard, ich kann Ihnen unmöglich die Reife für Unterprima erteilen.« Annemarie guckte über einen nicht vorhandenen Kneifer hinweg wie Ihr Ordinarius.
    »Sie können geben mich sogleich eine Lektion privat, Herr Professor«, lachte Vera.
    »Dazu ist heute keine Zeit, Verachen. Ich habe meinen Kinderwagen unten im Hausflur und ...«
    »Was haben du?« Vera lachte, daß ihr die Tränen in die Augen traten. Nein, war die Annemie ulkig! »Eine Kinderrwagen du haben unten? Für welche Baby sollen es sein, für dirr oder mirr?«
    »Für uns alle beide. Ich beabsichtige wie Cook und Nansen eine Nordpolexpedition zu unternehmen. Dazu wollte ich dich auffordern.«
    »Annemie, gefrrieren wirr haben jetzt zwei lange Wochens. Ich nicht brauchen mehrr zu rreisen zu Norrdpol«, ging Vera auf den Scherz ein.
    »Schadet nichts. Du mußt einfach mitkommen.« Annemaries lustiges Grübchengesicht sah plötzlich ernst drein. »Ich will für meine Großmama Kohlen in dem Kinderwagen holen, damit sie sich nicht erkältet und krank wird.«
    »Von das Norrdpol, Annemie?« Vera wurde nicht klug aus der Sache. War das nun Ernst oder Spaß?
    »Ja natürlich ... schnell, zieh dich an. Aber warm anziehen mußt du dich.«
    »Von das Norrdpol du wollen holen Kohlen? Rreden du auch nicht in Fieberr, Annemie? Sein du auch nicht krrank?« Ängstlich forschend betrachtete Vera das kälterote Gesicht der Freundin. Hatte sie am Ende auch die Grippe?
    »Nee ... nee ... Verachen, ich bin ganz gesund. Du brauchst mich nicht so ängstlich anzusehen. Ich meine ja den Nordhafen und nicht den Nordpol, obwohl es da wohl auch nicht kälter sein wird. Am Nordhafen werden von den Schiffen Kohlen verkauft, hat mir unser Portier gesagt. Da will ich für Großmama einen Zentner im Kinderwagen holen, und du sollst mir ziehen helfen.«
    »Gerrn, aberr meine Tante nicht sein zu Hause. Ich nicht kann frragen ihrr Errlaubnis.«
    »Desto besser!« Annemarie fürchtete wohl mit Recht die Einwendungen der Tante. »Mach rasch ... bis deine Tante nach Hause kommt, bist du längst wieder da.«
    Einige Minuten später schoben ein blondes und ein schwarzes Backfischchen, mit lustigen Augen aus der Pelzvermummung herauslugend, einen leeren Kinderwagen durch die schneeglitzernden Straßen.
    Trapp ... trapp ... trapp ging's. Die Füße stampften den gefrorenen Schnee, um sich zu erwärmen. Der Weg zum Nordhafen war weit. Die eleganten Mietshäuser des Berliner Westens machten Geschäftsbauten, dann kasernenartigen Arbeiterhäusern Platz. Das Straßenpublikum veränderte sich ebenfalls. Man sah keine kostbaren Pelze mehr, sondern fadenscheinige Mäntel und Tücher, durch die der scharfe Nordostwind pfiff.
    Die Mädchenaugen
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