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Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen

Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen

Titel: Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
Autoren: Else Ury
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Mutterglück sah.
    »Ach, Großmuttchen, ich danke dir tausendmal, das ist mein aller-, allerschönstes Osterei!« Glückselig streichelte sie die roten Bäckchen, die blonden Löckchen und das weiße Stickereikleid mit der rosa Schärpe.
    »Mutti, du hast ein neues Enkelchen bekommen.« Mit der einen Hand zog Annemarie Großmama ins Zimmer, mit der anderen streckte sie der Mutter das neugeborene Kind entgegen. Mutti wußte nicht, wen von beiden sie zuerst begrüßen sollte.
    »Wie wird denn mein neues Urenkelchen heißen?« fragte Großmama.
    »Nenn es doch Gertrud, nach Großmama«, schlug Mutti vor.
    »Ach nee, Gertrud heißen doch nur alte Damen!« wandte Nesthäkchen ein.
    »So nenn es Gerda!« Mutti wußte doch immer einen Ausweg.
    Und dabei blieb es. Gerda wanderte auf Annemaries Arm in die Kinderstube und wurde Fräulein und sämtlichen Schwestern und Brüdern vorgestellt. In der Nacht aber durfte sie bei ihrer neuen Mama im weißen Kinderbett schlafen, da diese sich keine Minute von der Kleinen trennen wollte.
    Baby war abgesetzt - und Gerda war von nun an Annemaries Nesthäkchen.

Wie es Puppe Gerda bei Nesthäkchen gefiel
     
    Als Gerda, das Puppenkind, am nächsten Morgen ihre Schlafaugen aufschlug, schlief ihre neue kleine Mama noch. Neugierig sah Gerda sich ihr Mütterchen näher an. Mit roten Bäckchen lag es auf dem stickereibesetzten Kissen und lachte im Schlaf. Gewiß träumte es von dem neuen Kinde.
    Die hübsche kleine Mama gefiel dem Puppenkind sehr, sicher würde sie es gut bei ihr haben. Gerda nahm sich vor, immer brav zu sein und Annemarie nie zu ärgern.
    Klein-Annemarie schlief noch immer, und Puppe Gerda langweilte sich. Surr - surr - da summte eine Fliege über dem Kinderbett und setzte sich der Puppe gerade auf die Nase.
    »Surr - surr - wie kommen Sie denn hierher, Fräulein?« begann die Fliege die Unterhaltung. »Ich wohne doch schon schrecklich lange, zwei ganze Tage, in der Kinderstube, aber Sie habe ich hier noch nicht erblickt.«
    »Ich bin erst gestern hier eingezogen«, antwortete die Puppe schüchtern und schielte herzklopfend auf ihre Nase. Denn sie hatte in ihrem Leben noch niemals eine Fliege gesehen.
    »Surr - surr - wo haben Sie denn früher gewohnt?« erkundigte sich die Fliege.
    »In einer großen Pappschachtel, aber da war es lange nicht so hübsch wie hier. Stockdunkel war es darin, und die Luft war auch nicht besonders«, erzählte Puppe Gerda ein wenig zutraulicher. Und da sie sah, daß die Fliege es gut mit ihr meinte, setzte sie noch hinzu: »Ich habe es doch fein getroffen, daß ich hierhergekommen bin, nicht?«
    »Summ - summ«, sagte die Fliege mal zur Abwechslung, legte eins der dünnen Vorderbeinchen an die Stirn und dachte nach. »Ja, es sind recht anständige Leute, sie geizen nicht mit Zuckerkrümelchen - summ - summ.«
    »Nicht wahr, die kleine Annemarie ist gut?« fragte die Puppe; denn das lag ihr mehr am Herzen als Zuckerkrümel.
    »Freilich«, surrte es zurück, »die Annemarie tut keiner Fliege etwas zuleide. Aber der Klaus, ihr älterer Bruder, vor dem nehmen Sie sich in acht, Fräulein. Das ist der gefährlichste Mensch, den ich kenne. Wenn der Sie mal fängt, reißt er ihnen mindestens ein Bein aus. Mit meiner guten, alten Tante hat er's geradeso gemacht, der Tunichtgut!«
    »Ich werde ihm möglichst aus dem Wege gehen«, nahm sich die Puppe furchtsam vor. »Doch ich sah gestern abend noch einen jungen Herrn, treibt der's auch so schlimm?«
    » Summ - summ - wie man's nimmt! Ganz so arg ist der Hans wohl nicht.
    Aber er hat manchmal eine große, bauchige Glasflasche in der Hand, damit rückt er uns armen Fliegen zu Leibe. Spiritus ist darin, der steigt uns so zu Kopf, daß wir geradeswegs in die große Flasche hineinfliegen müssen. Und wer erst einmal drin ist, der kommt nicht wieder heraus. Hüten Sie sich vor der Fliegenflasche, Fräulein, surr - surr!« Die Fliege summte so laut vor Empörung, daß Nesthäkchen sich zu bewegen begann. Husch - war die kleine Fliege auf und davon und Puppe Gerdas Nase leer.
    Annemarie aber streckte sich und reckte sich, und dann schlug sie endlich die Augen auf.
    Gerade als Puppe Gerda überlegte, ob es nicht das gescheiteste wäre, vor den bösen großen Brüdern Reißaus zu nehmen und davonzulaufen, ehe Annemarie noch erwachte, fühlte sie sich von zwei weichen Kinderarmen innig umschlungen. So lieb und zärtlich, daß alle Angst vor dem fürchterlichen Klaus und vor der großen Fliegenflasche bei Gerda verflog.
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