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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack
Autoren: Christian Stoecker
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viel Geld angeschafften Computer zu bitten, wäre keine gute Idee gewesen. Mir war jedoch ohnehin klar, dass es andere, effektivere Wege gab, sich neue Software zu beschaffen. Ich war im Begriff, auf die Produkte einer neuen, internationalen Szene zuzugreifen, die unfassbar produktiv und einfallsreich war, sich im Hinblick auf Urheberrechte völlig rücksichtslos verhielt und zum überwiegenden Teil aus Teenagern bestand.
    Die Idee des Kopierschutzes war zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung. Sie entstand erst in den späten siebziger Jahren, als die Beschäftigung mit Rechnern von einer Aktivität für Ingenieure und Wissenschaftler nach und nach zu einem Hobby für einen größeren Kreis wurde. Die frühen Computerenthusiasten, die in den USA damals meist »Hobbyisten«, seltener auch schon »Hacker« genannt wurden, fanden den Gedanken zunächst vollkommen abwegig, dass jemand für Software überhaupt Geld verlangen könnte. Dafür gab es auch keine Tradition: Die Großrechner der Sechziger und Siebziger wurden von den Herstellern wie DEC und IBM mit Software bestückt und gewartet, bezahlt wurde allein für die Hardware.
    Weil sie das Programmieren als eine sportliche Herausforderung betrachteten, tauschten die ersten Hacker, die Programme für Großrechner in Universitäten und dann für die allerersten Heimcomputer wie den Altair 8800, den ersten Apple-Computer oder Commodores PET schrieben, ihre Werke gern und bereitwillig untereinander aus. Es ging schließlich um das Lösen von Problemen und darum, andere an den eigenen Leistungen teilhaben zu lassen und Anerkennung zu erlangen. Diese Haltung existiert bis heute, sie ist die Grundlage der Open-Source-Szene, der die Menschheit Entwicklungen wie das freie Betriebssystem Linux, den kostenlosen Webbrowser Firefox und eine Vielzahl anderer Software-Entwicklungen verdankt. Im weiteren Sinne liegt das Credo der Open-Source-Gemeinde auch dem vielleicht Eindrucksvollsten zugrunde, was das Internet bis heute hervorgebracht hat: der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
    Im Februar 1976 stellte ein gewisser William Henry Gates III. den freien Austausch der Programmierideen erstmals vehement infrage. Gemeinsam mit Paul Allen hatte der junge Bill Gates ein Unternehmen gegründet und es Micro-Soft (sic) genannt. Eines der ersten Produkte der Zweimannfirma war eine Weiterentwicklung der Programmiersprache BASIC für den Baukastenrechner Altair 8800, den ersten kommerziell erhältlichen Heimcomputer überhaupt. Die beiden wollten an ihrer Schöpfung Geld verdienen, mussten aber feststellen, dass das deutlich schwieriger war, als sie angenommen hatten. Und das, obwohl das Gates-BASIC durchaus eine Menge Anwender fand: Die Software wurde von den »Hobbyisten« jener Tage, die vielfach Kinder der Hippiebewegung waren, schlicht kopiert statt gekauft. Ironischerweise trugen Gates und Allen mit ihrer Basic-Version auch zum späteren Siegeszug der Firma Commodore bei: In den späten Siebzigern erwarb der als in geschäftlichen Dingen gnadenlos berüchtigte Commodore-Chef Jack Tramiel von den beiden eine Dauerlizenz zur Nutzung der Programmiersprache in den Computern seines Hauses – dem Sachbuchautor Brian Bagnall zufolge für eine einmalige Zahlung von 10 000 Dollar. Bis weit in die achtziger Jahre hinein belastete dieser Spottpreis für eine Software, die schließlich in Dutzenden Millionen Computern zum Einsatz kam, die Beziehungen zwischen Commodore und Microsoft nachhaltig.
    In besagtem Jahr 1976 also schrieb Gates einen heute legendären offenen Brief an die Zeitschrift »Computer Notes« und den »Homebrew Computer Club«, die damals wichtigste und größte Vereinigung von Rechnerenthusiasten in den USA. Mit der Laissez-faire-Einstellung der frühen Hacker ging Gates darin hart ins Gericht: Wer sich kostenlose Kopien verschaffe, »verhindert, dass gute Software geschrieben wird«, schrieb Gates. »Um es klar zu sagen, was ihr tut, ist Diebstahl.«
    Der Ausbruch des Jungunternehmers, der später mit dem Verkauf von Software dann doch noch zum reichsten Mann der Welt werden sollte, markiert den Beginn einer Auseinandersetzung, die bis in die Gegenwart hinein andauert. Die gleiche Debatte wird heute aber nicht nur über Programme geführt, sondern über jede denkbare Art von Inhalt. Weil auch Filme, Musik, Fernsehserien, Hörspiele und Bücher heute in digitaler Form vorliegen, lassen sie sich ebenso einfach und perfekt kopieren wie Software schon damals. Gates’ zentrales Argument
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