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Nerd Attack

Nerd Attack

Titel: Nerd Attack
Autoren: Christian Stoecker
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– wenn niemand bezahlt, können die Schöpfer nicht überleben – wird heute auch von Musikern und der Filmindustrie ins Feld geführt. Nicht immer mit Erfolg.
    In den frühen achtziger Jahren war Kopierschutz noch ein Thema, das sich auf sehr teure Programme etwa für den Einsatz in Unternehmen beschränkte. Die ersten Computerspiele waren frei kopierbar. »Wenn jemand ein Spiel auf Floppy Disc oder Kassette gekauft hatte, kopierte er es für seine Freunde wie eine normale Audiokassette«, heißt es in »Freax«, einem Buch über die Geschichte dieser Szene. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die Kopien für den Computer waren digital, und damit im Idealfall verlustfrei, perfekt.
    Schnell begann die Branche, Mechanismen zu entwickeln, die das verhindern sollten. Der Begriff Cracker (von »to crack«, knacken) entstand zu Beginn der Achtziger, um jemanden zu bezeichnen, der so gut mit Computern umgehen konnte, dass er auch Software kopieren konnte, die nicht zum Kopieren freigegeben war.
    Es begann ein dauerhafter Kleinkrieg zwischen Crackern und den Kopierschutzentwicklern der Software-Branche. Die Fachzeitschrift »64’er« sprach in einem Artikel im September 1986 von einem »ewigen Wettlauf«: »Sie laufen schon um die Wette, seit es Heimcomputer gibt, und werden wohl auch bis in alle Zeiten weiterlaufen: die Kopierer und die Kopierschützer. « Die einen entwickelten immer komplexere Schutzmechanismen, die anderen wurden immer besser darin, diese zu umgehen. Im Rückblick ist der 64’er-Artikel prophetisch: Tatsächlich dauert der Wettlauf zwischen den Kopierschützern und den Kopierschutzbrechern bis heute an – nur hat sich die Rennbahn enorm vergrößert. Auch DVDs, CDs, Musikdateien und digitale Bücher sind nun meist mit einem aufwändigen Kopierschutz versehen. Sogar Fernsehsendungen werden inzwischen zum Teil verschlüsselt ausgestrahlt, so dass sie sich nicht digital aufzeichnen lassen. Aber auch das gilt noch: Jeder Kopierschutzmechanismus wird irgendwann geknackt.
    Die Spielebranche hatte den »ewigen Wettlauf« bereits damals verloren – auch wenn die Geschichte mancher Branchenriesen von heute in jener Zeit ihren Anfang nahm, all die Raubkopien also durchaus nicht jedes Unternehmen zum Untergang verurteilten, das Computerspiele herstellte. Electronic Arts (EA), heute zweitgrößter Spielehersteller der Welt mit einem Jahresumsatz von knapp 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2008, stellte auch schon Spiele für den Commodore 64 her, ebenso wie Activision, heute der Gigant der Branche, das größte Videospiel-Unternehmen der Welt (Konzernumsatz 2008: rund 2,2 Milliarden Euro), zu dessen Produkt-Portfolio etwa das mit 12 Millionen zahlenden Abonnenten weltgrößte Online-Rollenspiel »World of Warcraft« gehört. Yves Guillemot, mit seinem Unternehmen Ubisoft (Jahresumsatz 2008: gut 1 Milliarde Euro) selbst seit den Achtzigern in der Branche aktiv und heute auf Platz drei der größten Spielehersteller hinter Activision und EA, sagte mir in einem Interview im Jahr 2010: »Es ist ein ständiger Kampf, und es hat Zeiten gegeben, in denen wir nicht so gut waren wie die Leute, die unsere Spiele raubkopieren, und andere Zeiten, in denen wir besser waren. Es ist ein guter Kampf.«
    Kopien anzufertigen und dabei keinen Gedanken an mögliche Urheberrechtsverletzungen zu veschwenden war in meiner Kindheit nicht ungewöhnlich. Alle kopierten schließlich Audiokassetten und übertrugen Vinyl-Schallplatten auf Band. In der Regel war das legal, weil das Urheberrecht ein Recht auf Privatkopie ausdrücklich vorsieht. Das von Hand beschriftete Tape war die kleinste Einheit der meisten Musiksammlungen in meinem Freundeskreis. Ich selbst besaß noch in den Neunzigern Hunderte von Audiokassetten, die Freunde mir von Platten, später auch von CDs überspielt hatten. Das individuell zusammengestellte Mixtape wurde zum Ausdruck persönlicher Vorlieben, zur vermeintlich subtilen romantischen Botschaft und schließlich zum Klischee.
    Das Überspielen war allerdings immer mit einem Qualitätsverlust verbunden, denn man hatte es mit analogen Medien zu tun. Außerdem war die Klangqualität einer Audiokassette von vornherein der einer Platte oder CD unterlegen. Die Bässe auf Band waren nie ganz so satt, der Stereosound nie ganz so glasklar wie der des Originals. Uns Teenager störte das nicht sonderlich, schließlich bekam man auf diese Weise komplette Alben zum Preis einer Leerkassette.
    Die Musikbranche hatte das
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