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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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angestrengte Motorengeräusch eines kleinen Propellerflugzeugs über mir und blickte in den Himmel. Es war ein Doppeldecker, der eine lange Stoffbahn hinter sich her zog mit der Aufschrift: KOMMEN SIE HEUTE ABEND ZUM HUNDERENNEN NACH BISCAYNE UND MACHEN SIE’S WIEDER WETT. Selbst ein Verlierer hatte noch eine Zukunft.
    Ich fuhr mit der Straßenbahn die St. Charles Avenue hinunter zum Garden District. Es war ein schönes Gefühl, am offenen Fenster zu sitzen und die Esplanade entlangzurollen. Die Eisenräder schlugen auf den Schienen, Sonne und Schatten zuckten über meinen Arm. An jeder Haltestelle warteten ein paar Schwarze und weiße Arbeiter und Collegestudenten im Schatten der Eichen und Palmen, schwarze Teenager verkauften Eiskrem und Zuckerwatte aus kleinen Handwagen, und die Straßencafés vor den Hotels füllten sich bereits mit den ersten Dinnergästen. Aus irgendeinem Grund erscheint einem jeder Tag in New Orleans wie ein Feiertag, selbst wenn man arbeiten muß, und es gibt keine schönere Art, ihn zu genießen, als mit einer zugigen alten Straßenbahn, die schon seit Anfang des Jahrhunderts auf diesen Schienen gerollt ist, die Esplanade hinunterzufahren. Ich betrachtete die mit Säulen und Voluten geschmückten Antebellum-Häuser, die an meinem Auge vorbeizogen, die ausladendenEichen mit dem Spanischen Moos in den Zweigen, die kleinen Vorgärten mit den schmiedeeisernen Toren und den weißgestrichenen Backsteinmauern, die Palmwedel und Bananenstauden, die die alten, von Wurzeln aufgerissenen Gehsteige beschatteten. Dann kreuzten wir die Jackson Avenue, und ich stieg an der nächsten Haltestelle aus, trank bei Katz und Besthoff eine Cola mit Lime und ging dann die kurze backsteingepflasterte Straße hinunter zum Haus des Generals an der Prytania Street.
    Am Gartentor blieb ich stehen. Durch die Regenschirmbäume längs des Zauns sah ich ihn im Garten neben dem Haus an einem weißen, gußeisernen Tisch sitzen, wo er Orangen und Avokados schälte und in eine Schale schnitt. Er trug Sandalen und Khakishorts, aber kein Hemd, und seine sonnengebräunte Haut und das weiße Haar waren gesprenkelt von den Strahlen der Sonne, die durch das Laub des Eichenbaums über ihm fielen. Unter seinen Armen sah ich die runzligen Gewebefalten, die alle alten Leute haben, aber sein Körper wirkte ansonsten noch sehr robust, und die Bewegungen seiner Hände waren kräftig und sicher, als er so mit den Früchten hantierte. Neben seinem Ellenbogen standen ein Aschenbecher mit einer Zigarettenspitze und eine verkorkte Weinflasche. Er unterbrach seine Arbeit, stöpselte die Flasche auf und goß etwas von dem Inhalt in ein kleines Glas, und dann waren seine azetylenblauen Augen plötzlich auf mich gerichtet.
    Ich entriegelte das schmiedeeiserne Tor und ging quer über den Rasen auf ihn zu. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine Augen betrachteten mich mit der gleichen Aufmerksamkeit, mit der man ein wildes Tier fixieren würde, das gerade aus seinem Käfig gelassen wurde.
    »Ist noch jemand anders bei Ihnen?« fragte er.
    »Nein, ich arbeite immer noch allein.«
    »Ich verstehe.« Er musterte mich von oben bis unten, beobachtete meine Hände. Dann fuhr er mit der Spitze seines Schälmessers unter die Schale einer Orange und pellte sie ab. »Sind Sie auf Rache aus?«
    »Man wird Sie sicher bald abholen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    »Da gibt es kein ›vielleicht‹, General. Wenn es nicht die Bundesbehörden sind, ist es auf jeden Fall mein Vorgesetzter. Er ist ein weit besserer Polizist als ich. Er hält sich zwar immer streng an die Regeln, aber das hat den Vorteil, daß er nie was verpatzt.«
    »Ich verstehe nicht ganz, warum Sie dann hierhergekommen sind.«
    »Was wollten Sie draußen bei meinem Hausboot?«
    »Setzen Sie sich doch. Trinken Sie ein Glas Wein, oder möchten Sie vielleicht etwas Obst?«
    »Nein, vielen Dank.«
    Er steckte eine Zigarette in seine Spitze, zündete sie jedoch nicht an. Sein Blick schweifte über den Rasen zum Rand des Gartens, wo ein paar graue Eichhörnchen am Stamm einer Eiche emporkletterten.
    »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte er.
    »Ach?«
    »Für all die Dinge, die Ihnen in letzter Zeit zugestoßen sind. Sie hätten in die ganze Sache überhaupt nicht hineingezogen werden sollen.«
    »Polizisten werden immer mit hineingezogen, wenn man gegen das Gesetz verstößt.«
    »Ich habe Ihnen eine Menge Kummer gemacht, Lieutenant. Zum
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