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Neobooks - Dreck muss weg!

Neobooks - Dreck muss weg!

Titel: Neobooks - Dreck muss weg!
Autoren: Alexandra Richter , Alexandra Richter
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hat die Straße schon fast erreicht, hört den Motorenlärm eines vorbeifahrenden Autos und sieht hinten im Hammrich die Windräder sich drehen, als er die Spuren entdeckt. Sehen fast aus wie von einem Kinderwagen. Reifenspuren, parallel nebeneinander, ziehen sich durch den Matsch und führen ihn wieder zu dem maroden Backsteinbau. Sie enden vor einem schiefen Schuppen rechts neben dem Häuschen, das ihn aus leeren Augen anglotzt. Er will nur mal nachschauen. Vor der Holztür des Verschlags ist das Gras heruntergetreten. Der Riegel fühlt sich spröde an, Rost hat ihn wundgefressen. Es ist ein Rollstuhl, kein Kinderwagen. Der Junge sieht ihn nur von hinten. Und sich im Wind bewegendes weißes Haar. Seine Füße gehen einfach weiter, ob er will oder nicht, dabei scheint um ihn herum alles stehen zu bleiben. Er sieht eingestanzte Vierecke in der hellblauen Steppjacke, farblich abgesetzte Nähte an der Brusttasche. Dann das Gesicht der Frau. Und er kriegt Angst, als er das schreckliche Geräusch hört. Ein Pfeifen, das sich ausbreitet und von den Wänden wieder auf ihn zukommt. Unmöglich, dass es von der Frau in dem Rollstuhl stammt, denn die ist tot, er weiß das. Nicht wegen der grauen Haut oder des Drecks, der aus ihrem Mund rieselt und ihre Lippen schmutzig macht. Er sieht es an ihrem Blick. Und an dem Käfer. Träge läuft das Insekt durch ihr Gesicht und geradewegs in eins der Augen, das starr bleibt wie ein gefrorener See. Trüb und unbeweglich. Das Geräusch schwillt an und lässt das Herz des Jungen in seinem Brustkorb vibrieren. Er stolpert rückwärts, reißt am Verschluss seiner Jacke, denn der Kragen ist viel zu eng. Und plötzlich ist keine Luft mehr da, die er einatmen kann.
    *
    Fachkommissariat Aurich, Ostfriesland
    »Die Norder haben heute Morgen bei Harm Verstärkung für die Suche in Pewsum geordert.« Joki schielte zu Marga rüber. »In zehn Minuten ist Besprechung. Harm hat es gerade angekündigt. Es muss schnell gehen.«
    Schnell gehen. Marga rutschte vom Schreibtisch, spürte plötzlich Hummeln im Hintern. Die alte Frau wurde seit siebzehn Stunden vermisst. Wie lang hielt sie durch bei der Kälte? Der Radius, in dem sie sich befinden musste, konnte nicht besonders groß sein. Die Kanäle schossen Marga in den Sinn. Vielleicht bräuchten sie auch Taucher. Hastig suchte Marga ihre Sachen zusammen, stopfte sich mehrere Kugelschreiber in die Jackentasche und nahm ein Notizbuch aus dem Schreibtisch. Gemeinsam mit Johann betrat sie kurze Zeit später den Versammlungsraum am Ende des Flurs. Keiner der Kollegen hatte auf den rauchblauen Polsterstühlen Platz genommen, Anspannung lag in der Luft. Harm grüßte knapp und richtete das Wort an alle. »Die Kollegen in Norden brauchen Unterstützung, zwei Teams fahren nach Pewsum und leiten die Suche nach der vermissten Person.«
    Marga streckte sich und fixierte Harm. Nur mit Mühe unterdrückte sie den brennenden Drang, mit den Fingern zu schnippen, doch er übersah sie, und der Fall der Vermissten ging an ältere Kollegen. Als sei das nicht schon schlimm genug, schloss er die Einteilung mit den Worten: »Joki, ihr macht die Inbrandsetzung.«
    Weiter hörte Marga nicht hin. Schon wieder waren die guten Sachen an andere gegangen, und für sie blieben ein angezündeter Müllcontainer und Akten, nichts als Akten. Papier war geduldig, aber Marga nicht. Nach fünf Minuten war alles vorüber; enttäuscht zog Marga ab in ihr Büro.
    »Nun macht dir man nix draus. Du bist eben unser Küken.«
    Johann rüttelte freundlich an Margas Schultern.
    Ihr flogen alle Gedanken durcheinander. Sie war 30 und hatte weder gelben Flaum noch Eierschale auf dem Kopf. Drei Jahre Studium, anschließend Streifendienst. Sie war bereit, und das seit Jahren.
    »Wenn ich erst mal in Rente geh, gibt es auch bessere Happen für dich. Harm hat da schon so was angedeutet.«
    Marga biss die Zähne aufeinander. Also noch zwei Jahre. Das war ganz und gar nicht tröstlich, auch wenn es von Joki so gemeint war. Der und sein Scheißknie. Ihre Beine waren in Ordnung. Was aus Rücksichtnahme auf Joki geschah, ließ sie versauern. Mit starrer Miene verließ sie den Raum und besorgte die Akte zur Inbrandsetzung. Noch auf dem Rückweg warf sie einen Blick hinein. Der Müllcontainer eines Fleischerei-Fachbetriebes war angezündet worden und zu einem Klumpen zerschmolzen. Na großartig. Sie hatte es geahnt. Demonstrativ legte sie Joki den Schinken auf den Tisch. Mahlzeit. Geräuschvoll nahm sie ihre
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