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Nemti

Nemti

Titel: Nemti
Autoren: Manfred Wloch
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hat denn heutzutage noch Angst vor Kometen?«
    »Ich weiß, dass das Hirngespinste sind. Aber jeder Astronomie-Student hört während seines Studiums garantiert von diesem Gerücht, das sich hartnäckig hält und in jedem Semester weitererzählt wird.«
    »Und was soll Dramatisches passieren, wenn Nemti friedlich am nächtlichen Firmament steht? Stürzt dann der Himmel ein, wie Asterix und seine gallischen Freunde glauben?«, scherzte Lukas.
    Jan setzte noch einen drauf: »Möglicherweise gibt es Erdbeben und der Laacher Vulkan bricht aus.«
    »Nun male nicht den Teufel an die Wand. Das hört sich an wie eine Schlagzeile aus der Bild-Zeitung.«
    »Ich habe doch auch keine Ahnung. Ich weiß nicht, was hinter dem Gerücht steckt. Aber jedes Gerücht hat irgendwo einen wahren Kern, sagt man.«
    »Das ist es, was mich beunruhigen könnte, der Hintergrund oder die Absicht, weshalb ein Gerücht in die Welt gesetzt wird.«
    »Was soll ein schmutziger Schneeball, wie Kometen salopp bezeichnet werden, schon anrichten? Ich freue mich jedenfalls auf Nemti.«
    »Ist mir schon aufgefallen«, bestätigte Lukas. »Du fieberst ihm entgegen.«
    In diesem Augenblick klingelte Jans Handy. »Die ständigen Störungen gehen mir auf die Nerven.« Er zog es aus der Tasche und meldete sich. Nach nicht einmal einer Minute war das Gespräch beendet.
    »Das war einer der Projektleiter, Doktor Abromeit. Er hat nach dem Ersatzteil gefragt. Ich bring ihm den Karton eben rüber. Wir sehen uns später.«
     
    Die Kuppel über dem Linsenfernrohr öffnete sich einen Spaltbreit und gab einen schmalen Ausschnitt des Himmels frei. Jan stand neben einem Bedienungspult und betätigte die Mechanik. Doktor el Hadary hantierte an dem braunen Tubus des Refraktors und drehte nacheinander an verschiedenen Stellrädern aus blank poliertem Messing. Er richtete das Instrument auf einen bestimmten Punkt am dunklen Himmel aus und hielt einen kurzen Einführungsvortrag.
    Nacheinander blickten die Teilnehmer durch das Okular. Die Amateurastronomen aus Köln, selbst Besitzer von kleinen Teleskopen, gaben ihrem Erstaunen ungeniert Ausdruck über das, was sie zu sehen bekamen.
    Endlich kam Lukas an die Reihe. Er hatte sich eine Vorstellung über den Anblick des Kometen in einem Fernrohr zurechtgelegt, doch diese wurde bei Weitem übertroffen. Der Kopf des Kometen füllte das Blickfeld fast vollständig aus. Um ein helles Zentrum herum formte sich eine nebelartige Hülle, die sogenannte Koma, wie ihm Jan erklärt hatte. Rechts davon verschwand der Schweif aus dem Sichtfeld des Refraktors. Links war die Hülle deutlich eingedellt. Bogenförmige Streifen, wie ein Ausschnitt aus den Wellen, die ein ins Wasser geworfener Stein bewirkt, bildeten dort die Koma. Ein Stoßwellenmuster.
    Es beeindruckte Lukas, mit welcher Präzision das mehr als hundertfünfundzwanzig Jahre alte Instrument der Bahn des Kometen folgte. Die einzige Bewegung im Bild erzeugte die Luftunruhe in der irdischen Atmosphäre.
    Das war also Nemti. Er begriff in diesem Moment, warum Jan mit Begeisterung von dem Kometen sprach. Diese Himmelskörper, die Vagabunden im Sonnensystem, waren faszinierende Objekte.
    Bei der Verabschiedung gab Jan ihm seine Handynummer, unter der er jederzeit erreichbar war. Erst nach Mitternacht verließ Lukas das Observatorium und fuhr zu seinen Eltern.

Montag, 13. August 2001
     
     
     
    E r war stolz, der Auserwählte zu sein. Lange Jahre hatte der Meister der Weisheit Neferkarê auf diesen Tag vorbereitet. Sein Herz klopfte, denn es war nach langer Zeit die erste große Zeremonie im Tempelraum, an der er teilhaben durfte.
    Leise zog er die Tür, den einzigen Zugang zum Vorraum, hinter sich zu. Eine angenehme Kühle schlug seinem erhitzten Körper entgegen. Er wischte sich über die schweißbedeckte Stirn und starrte auf seine verschmutzten Turnschuhe. Auch die Jeans sah reichlich mitgenommen aus, Hemd und Jacke waren mit Blut besudelt.
    Neferkarê zog einen Schlüssel hervor, der um seinen Hals hing. Damit öffnete er eine grau gestrichene Stahltür, die quietschend aufschwang. Er betrat einen spartanisch eingerichteten Raum und schaltete das Licht ein. Die Tür verriegelte er hinter sich.
    Eine gemauerte Trennwand teilte den fensterlosen Raum in zwei Bereiche. Wo Neferkarê ihn betreten hatte, befand sich eine Werkbank, daneben ein Werkzeugschrank. Pappelholzquader und -rundstücke lagen aufgestapelt in einer Ecke. Auf der Werkbank stand eine etwa einen halben Meter hohe
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