Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemti

Nemti

Titel: Nemti
Autoren: Manfred Wloch
Vom Netzwerk:
gefolgt.
    »Professionell. Aber das machst du ja täglich, oder?«, antwortete er gereizt. Er wunderte sich über die schroffe Entgegnung, denn sie entsprach nicht seinem Naturell. Vermutlich lag es daran, dass sein Unterbewusstsein ihm vorgaukelte, Jan hätte etwas von seiner Schwäche bemerkt.
    »Und jetzt in die Cafeteria, zu einem Gespräch unter Männern, oder lieber die Führung?«, hörte er Jan unternehmungslustig fragen.
    »Auf die Besichtigungstour verzichte ich. Die kann ich irgendwann nachholen. Lass uns reden.« Lukas hatte sich mittlerweile wieder vollständig unter Kontrolle. »Was ist mit dir? Musst du die Führung nicht leiten?«
    »Normalerweise ja, aber ich habe Doktor el Hadary gebeten, sie zu übernehmen. Ich hab mir schon gedacht, dass du lieber reden möchtest.«
    Die Tür eines Büroraums öffnete sich. Ein orientalisch aussehender Mann um die Vierzig, mit einer markanten Nase, trat in den Gang. Seine schwarzen Haare waren kurz geschnitten und ein dichter Bart umkränzte das Kinn. Er reichte Lukas gerade einmal bis zur Schulter. Schnurstracks kam er auf sie zu und stellte sich ihm als Doktor Kamal el Hadary vor.
    »Sie sind also der Klassenkamerad von Jan. Freut mich, Sie kennenzulernen«, begrüßte er Lukas.
    »Danke. Sie leiten hier die Führungen und Bildungsveranstaltungen?«
    »Nur als Nebentätigkeit. Hauptberuflich bin ich Astrophysiker und beschäftige mich mit der Entstehung und Evolution von Sternen.«
    »Hört sich spannend an.«
    »Ist es auch, das können Sie mir glauben.« El Hadarys Augen strahlten. »Was für einen Stein tragen Sie um den Hals?«
    »Einen Achat. Ich habe ihn selbst gefunden, in einem Steinbruch im Hunsrück. Er ist mein Talisman.«
    »Und das ist mein Glücksbringer.« El Hadary zog an seiner Halskette und zeigte voller Stolz einen Skarabäus aus Speckstein.
    »Er sieht toll aus«, sagte Lukas anerkennend. »Eine Antiquität?«
    »Wo denken Sie hin. Er hat für mich einen ideellen Wert.« El Hadary blickte zu ihm hoch. »Sie sind aber sehr groß. Ich schätze mal zwei Meter.«
    »Nicht ganz. Die letzten drei Zentimeter habe ich nicht mehr geschafft. Sie sprechen ein ausgezeichnetes Deutsch.«
    »Nun ja. Ich bin in Düsseldorf geboren. Mein Vater ist Ägypter und meine Mutter eine Deutsche. Sie studieren auch in Bonn?«
    »Nein, an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Polizei, wie die offizielle Bezeichnung lautet.«
    »Mit welchem Berufsziel, wenn ich fragen darf?«
    »Kriminalhauptkommissar. Ich möchte später ein Dezernat bei der Kripo leiten.«
    »Dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, die Besucher werden ungeduldig.«
    El Hadary wechselte einige Worte mit Jan und ging in Richtung des Vorführraums davon.
    »Nichts wie weg«, sagte Jan und zog Lukas mit sich fort, »bevor jemand auf die Idee kommt, mich mit Arbeit zu betrauen. Dein Eindruck?«
    »Von el Hadary? Scheint ein sympathischer und gebildeter Mann zu sein.«
    »Lass dich nicht täuschen. Er kann auch ein Mistkerl sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Erzähl ich dir bei Gelegenheit.«
    Sie hatten die Cafeteria fast erreicht, als Jan plötzlich stehen blieb. »Sag mal, Lukas, hast du heute noch was vor?«
    »Ja, ich wollte zu meinen Eltern. Warum?«
    »Wenn du es einrichten kannst und Lust dazu hast, könntest du heute Abend an Himmelsbeobachtungen teilnehmen.«
    »Mit einem eurer Fernrohre?«
    »Bestimmt nicht mit einem Opernglas«, antwortete Jan verschmitzt lächelnd.
    »Ich bin dabei. Wann geht’s los?«
    »Um zweiundzwanzig Uhr. Uns steht der Schröder-Refraktor zur Verfügung, unser ältestes Linsenfernrohr, aber immer noch ein fantastisches Instrument.«
    »Wer ist uns?«
    »Wir beide, el Hadary und vier Personen, Amateurastronomen aus Köln.«
    »Ich freue mich drauf.« Lukas drückte die Schwingtür der Cafeteria auf und ließ Jan eintreten. »Bis dahin ist noch Zeit. Jetzt quatschen wir erst einmal ausgiebig.«
    »Ich bestelle was. Willst du auch eine Cola?«
    »Lieber ein Wasser.«
    »Setz dich schon mal.«
    Lukas hatte gerade Platz genommen, als Jan mit den Getränken an den Tisch kam. Er trank die Cola in einem Zug aus. »Ein Vortrag macht verdammt durstig.«
    »Das sehe ich.« Lukas lehnte sich zurück. »Sag mal, Jan, ist das nicht eine seltsame Arbeitszeiteinteilung? Tagsüber Vorträge und Führungen und spät abends noch Vorführungen am Fernrohr?«
    »Das ist heute eine Ausnahme. Ich bin eingesprungen, weil ein Mitarbeiter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher