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Nemti

Nemti

Titel: Nemti
Autoren: Manfred Wloch
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bildeten sich Falten.
    Lukas zurrte das Planenverdeck der Ladefläche fest. »Ich brauche ihn, um zum Beispiel eine Kletterausrüstung zu transportieren. Kletterfelsen stehen nicht immer direkt neben einer Straße. Da ist ein geländegängiges Fahrzeug vonnöten.«
    »Du kletterst immer noch?«
    »Ja.«
    Angeregt über das Für und Wider eines Geländewagens diskutierend, spazierten sie auf das Hauptgebäude zu. Neben einem blauen Ford Mondeo Turnier , dessen Scheiben mit Sonnenschutzfolie dunkel getönt waren, blieb Lukas stehen. »Sieht das Auto nicht aus wie ein Leichenwagen?«
    »Das ist der Kombi von el Hadary«, sagte Jan, ohne stehen zu bleiben. »Du hast mir noch nicht erzählt, wie dein Studium läuft.«
    »Bestens. Im nächsten Monat hoffe ich, einen Praktikumsplatz in der Kriminalinspektion Mayen zu bekommen.«
    »Dann drücke ich dir sämtliche Daumen.«
     
    Eine Minute später betraten sie das Hauptgebäude. Im Eingangsbereich entdeckte Lukas die Fotografie eines Kometen mit einem extrem langen Schweif. Er ging näher heran und beugte sich vor, um die kleine Bildunterschrift lesen zu können: Komet C/1996 B2 (Hyakutake), 23.03.1996, 22:30 UT .
    Jan war ihm gefolgt. »Tolles Bild, nicht?«
    »Beeindruckend. So etwas würde ich gern einmal in natura durch ein Fernrohr beobachten. Wie heißt der?«
    »Hyakutake, nach seinem japanischen Entdecker.«
    »Und wie ist die aktuelle Lage? Gibt es nicht wieder mal einen mit bloßem Auge zu sehen, damit auch ein normaler Bürger in den Genuss eines ungewöhnlichen Himmelsereignisses kommt?«
    »Ihr Normalbürger habt Glück. In spätestens zwei Wochen solltest du unbedingt zum Himmel blicken.« Jans Augen glänzten.
    »Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen«, forderte Lukas ihn auf. »Erzähl schon.«
    »Etwa ab Mitte August wird 329P/Scarlatto über der Eifel sichtbar sein. Den gegenwärtigen Berechnungen nach wird das ein prächtiges Schauspiel. Den kann ich dir heute Abend durch das Fernrohr zeigen, wenn du möchtest.«
    »Ich bitte darum. Den Halleyschen Kometen kennt mittlerweile jedes Kind. Aber von diesem Scarlatto habe ich noch nie gehört.«
    »Der ist auch so gut wie unbekannt. Eigentlich kennen nur Insider – Astronomen – diesen Kometen. Und die sprechen auch nicht mit seinem offiziellen Namen von ihm, sondern von Nemti . Aber frag mich nicht, warum er so genannt wird oder was das Wort bedeutet. Kann ein Name sein oder eine Abkürzung. Das Wissen darüber ist im Laufe der Zeit verloren gegangen.«
    »Warum gibt es überhaupt zwei Bezeichnungen für ein und denselben Kometen? Konnten sich die Experten nicht einigen?«
    »Das ist damit zu erklären, dass Nemti die ursprüngliche Bezeichnung des Kometen ist. Als später die Bezeichnungen für periodische Kometen systematisiert und auf einen einheitlichen Standard gebracht wurden, bekam er den Namen Scarlatto verpasst.«
    »Ich nehme das zur Kenntnis. Hast du Nemti schon einmal beobachtet? Du sitzt schließlich an der Quelle.«
    »Dazu hatte ich leider noch keine Gelegenheit. Der Komet stand bis vor Kurzem in den Nachtstunden unter dem Horizont.«
    »Ich dachte eher an frühere Erscheinungen«, präzisierte Lukas.
    »Ach so. Nein, eine Beobachtung war mir bisher nicht vergönnt. Bei seiner letzten Annäherung an die Sonne war noch nicht an mich zu denken. Nemti kommt nämlich nur alle achtundvierzigeinhalb Jahre in Erdnähe und steckt voller Überraschungen.«
    »Ich liebe Unerwartetes«, unterbrach ihn Lukas.
    »In Europa war er zuletzt vor fast zweihundert Jahren zu sehen«, fuhr Jan fort. »In den Jahren danach, in denen er in Sonnennähe erschien, war er nur auf der Südhalbkugel sichtbar und auch ungewöhnlich lichtschwach. Doch diesmal, soviel kann ich dir versprechen, wirst du einen spektakulären und unvergesslichen Anblick genießen können. Und das hier in der Eifel.«
    Lukas hörte die Begeisterung aus Jans Worten heraus. Sein Gesicht sprach Bände, die Wangen glühten in hellem Rot und seine Augen waren feucht vor Freude.
    »Hört sich gut an. Ich werde mir das merken.«
    »Das solltest du unbedingt. Bist du eigentlich abergläubisch?«, meinte Jan unvermittelt.
    Lukas fragte sich, was das mit dem Kometen zu tun haben könnte. »Bin ich nicht«, erwiderte er zögerlich. »Warum?«
    »Es gibt in Astronomen-Kreisen ein Gerücht, nachdem Nemti Unglück bringen soll.«
    »Und ich dachte, die Bewohner der Eifel hätten mittlerweile die Zeit des Mittelalters überwunden«, foppte Lukas. »Wer
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