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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille
Autoren: Das Vermächtnis
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hier und ansonsten dort zu wohnen. Hoffentlich mehr dort als hier. Aber wenn ich's mir recht überlegte, was für eine Rolle spielte das für mich? Ich war nur auf der Durchreise.
    Ich hatte einen Taurus gemietet, den ich neben dem Pförtnerhaus abstellte, daher wusste sie, wann ich daheim war, aber bislang hatte sie noch nicht mit selbstgebackenem Schokoladenkuchen vorbeigeschaut.
    Ich verfolgte ihre Unternehmungen nicht, und in der letzten Woche hatte ich ihren Wagen nur selten vorbeikommen sehen. Das einzige Auto, das mir auffiel, war ein Mercedes, der Mr Nasim gehörte, dem Besitzer des Herrenhauses. Ich will damit andeuten, dass Susan meiner Meinung nach keinen Freund hatte. Aber wenn ja, hätte es mich auch nicht gewundert, und es wäre mir egal gewesen.
    Was mein Liebesleben betrifft, so war ich während meiner dreijährigen Kreuzfahrt rund um die Welt völlig abstinent gewesen. Außer natürlich, wenn ich im Hafen lag oder ein weibliches Besatzungsmitglied an Bord hatte. Genau genommen war ich ein Mistkerl.
    Vermutlich gab es allerlei komplizierte psychologische Gründe für meine Maßlosigkeit, die etwas mit Susans Ehebruch und dergleichen mehr zu tun hatten. Außerdem machte mich die Salzluft geil.
    Aber in London hatte ich mich wieder ziemlich beruhigt, zum einen wegen meines Jobs, der einen Anzug und ein bisschen Anstand erforderte, zum anderen, weil ich das Segelboot abgestoßen hatte und keine schlauen Sätze mehr ablassen konnte, wie zum Beispiel: »Möchten Sie mit mir auf meiner Yacht nach Monte Carlo segeln?«
    Jedenfalls hatte ich in meinem letzten Jahr in London nur eine Freundin gehabt. Ich legte Feuerholz nach, frischte dann meinen Kaffee mit einem Schuss Cognac auf.
    Was die ehemalige Mrs Sutter angeht, war der aktuelle Stand der Dinge so, dass sich keiner beim anderen gemeldet hatte, und wir waren auch nicht auf dem Grundstück oder in der Ortschaft aufeinandergestoßen, aber ich wusste, dass wir uns bei Ethels Beerdigung begegnen würden. Ehrlich gesagt, hatte ich fast damit gerechnet, dass sie vorbeikommen und Hallo sagen würde. Wahrscheinlich ging es ihr genauso.
    In dieser Gegend wurde schwer auf Etikette und Protokoll geachtet, und ich fragte mich, wie die Königin der Benimmregeln, Emily Post, mit dieser Situation umgehen würde. »Liebe Ms Post, meine Frau hat mit einem Mafia-Don gefickt und ihn dann erschossen, worauf wir uns scheiden ließen, beide aus dem Staat wegzogen und andere Menschen kennenlernten, die wir nicht umgebracht haben. Jetzt sind wir wieder Nachbarn, und wir sind beide allein. Sollte ich also einen Schokoladenkuchen backen und sie willkommen heißen? Oder sollte sie das tun? (Unterzeichnet) Verwirrt auf Long Island.«
    Und Ms Post könnte antworten: »Lieber VALI, ein Gentleman sollte immer die Dame besuchen, aber stets vorher anrufen oder schreiben - und sichergehen, dass sie die Schusswaffe entsorgt hat! Achten Sie darauf, dass Sie ein zwangloses Gespräch führen, zum Beispiel über Lieblingsfilme (aber nicht Der Pate), Sport oder Hobbys (aber nicht Zielschießen), und überziehen Sie Ihren Besuch nicht, es sei denn, Sie schlafen miteinander. (Unterzeichnet) Emily Post.«
    Nun ja, vermutlich wurde ich ein bisschen albern. Aber meine Kinder nervten mich damit, dass ich mich bei ihr melden sollte. »Hast du Mom schon gesehen?« Ich war mir sicher, dass sie ihr die gleiche Frage stellten.
    Genau genommen hatte ich Susan im Lauf der letzten zehn Jahre, seit wir beide Long Island verlassen hatten, ein paarmal gesehen - bei den College-Abschlussfeiern unserer Kinder zum Beispiel und bei der Beerdigung meiner Tante Cornelia, die Susan gemocht hatte. Und bei diesen Begegnungen gingen Susan und ich stets höflich und herzlich miteinander um. Sie war sogar freundlicher zu mir als ich zu ihr, und ich hatte den Eindruck, dass sie über mich weggekommen und weitergezogen war. Ich hingegen ... nun ja, ich wusste es nicht. Und ich hatte nicht die Absicht, es herauszufinden.
    Was das Thema Beerdigungen angeht, so hatte ich an Frank Bellarosas Begräbnis teilgenommen ... Eigentlich mochte ich den Typen, obwohl er ein Krimineller, ein Manipulator, ein soziopathischer Lügner und der Liebhaber meiner Frau war. Ansonsten war er kein übler Kerl. Genau genommen war er sogar charmant und charismatisch. Fragen Sie Susan.
    Ich griff wieder zu dem Stapel Fotos und blätterte ihn durch. Sie war wirklich wunderschön und sexy. Klug und lustig ebenfalls. Und, wie schon gesagt, wunderbar
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