Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille
Autoren: Das Vermächtnis
Vom Netzwerk:
nicht tun. Ich lasse es nicht zu.«
    Sie starrte mich an, hatte die Schrotflinte in der Armbeuge liegen. Schließlich sagte sie: »Es tut mir so leid, John, alles, was uns widerfahren ist.« »Das Thema ist beendet.«
    »Hast du bereut, dass du Frank das Leben gerettet hast?« Ja und nein. »Ich habe das Richtige getan«, sagte ich. »Es war falsch.«
    Ich schaute sie an. »Hast du das seinerzeit auch gedacht?«
    Sie schwieg ein paar Sekunden, bevor sie sagte: »Nein. Aber hinterher ... habe ich mir gewünscht, du hättest ihn sterben lassen. Und jetzt... werden wir den gleichen Fehler nicht noch einmal machen.«
    Ich streckte die Hand aus. »Gib mir die Knarre.«
    Sie stieß mir die Schrotflinte entgegen. »Er hat unseren Kindern gedroht. Also kümmere du dich darum.«
    Ich zögerte, dann nahm ich ihr die Schrotflinte ab. Wir blickten uns in die Augen, und sie sagte: »Mach es für Edward und Carolyn.«
    Ich hatte daran gedacht, Anthony umzubringen, und hätte es auch sofort getan, wenn er eine Gefahr für uns dargestellt hätte. Aber kaltblütig einen Verletzten umzubringen war nicht das Gleiche. Und dennoch ... wenn er überlebte ... es würde eine Ermittlung geben, einen öffentlichen Prozess, Aussagen darüber, was hier geschehen war ... und ständig schwebte diese Gefahr über uns ... wenn er jedoch tot war ... nun ja, tot war tot. Tot war einfach.
    Ich holte tief Luft. »Ich sehe nach ihm.«
    Ich ging mit der Schrotflinte in die Diele und die Treppe hinauf, dann blieb ich vor unserer Schlafzimmertür stehen. Ich überzeugte mich davon, dass der Umschalthebel auf den linken Lauf gestellt war - denjenigen, der mit schweren Rehposten geladen war -, bevor ich die Tür öffnete.
    Ich sah ihn am Boden liegen, und seine Brust hob und senkte sich immer noch. Ich trat näher und kniete mich neben ihn.
    Seine Arme hingen jetzt herab, und der Blutstrom aus der Wunde war langsamer geworden und nicht mehr schaumig. Ich musterte sein Gesicht, das so weiß war, dass die Stoppeln an seinen Wangen wie schwarze Farbe wirkten. Ich fühlte seinen Puls, dann den Herzschlag, der raste, um den fallenden Blutdruck auszugleichen.
    Ich beugte mich näher zu ihm und sagte: »Anthony.« Seine Lider flatterten.
    »Anthony! « Ich schlug ihm ins Gesicht, worauf er die Augen öffnete.
    Wir schauten einander an. Er bewegte die Lippen, aber ich hörte lediglich ein Gurgeln.
    »Wenn Sie in die Hölle kommen und Ihren Vater sehen, dann erzählen Sie ihm, wie sie dorthin gekommen sind und wer Sie erschossen hat. Und fragen Sie Ihren Vater, ob es stimmt, dass er wegen Susan seine Familie verlassen wollte. Anthony?« Ich schlug ihn noch mal und sagte: »Hören Sie mich?«
    In seinen Augen war noch Leben, aber ich wusste nicht, ob er mich bei dem Rauschen in seinen Ohren hören konnte, das sich einstellt, wenn das Herz das letzte Blut durch die Arterien und Venen pumpt.
    »Und bestellen Sie Ihrem Vater meinen Dank dafür, dass er mir diesen letzten Gefallen getan hat«, sagte ich laut.
    Wieder flatterten Anthonys Lider, und ich wusste, dass er mich gehört hatte.
    Ich starrte ihn weiter an. Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen und folgten meinen Bewegungen, und mir kam der Gedanke, dass er überleben könnte.
    Susan kam ins Zimmer und warf erst mir, dann ihm einen Blick zu, sagte aber nichts.
    Draußen hörte ich Polizeisirenen und sagte: »Geh und entriegle die Tür. Schnell.« »John, du musst es tun, sonst mache ich es.« »Geh schon. Ich kümmere mich darum.«
    Wieder schaute sie zu mir, dann zu Anthony. Schließlich ging sie.
    Ich starrte auf Anthony herab, der zu viele Lebenszeichen von sich gab ... und jetzt, da die Polizei draußen war, war es zu spät, die Schrotflinte abzufeuern.
    Ich bemerkte, dass das Blut über seiner Wunde geronnen war und eher sickerte als strömte. Still die Blutung... Verstärke die Blutung.
    Ich kniete mich auf seine Brust, worauf er entsetzt die Augen aufriss. Ich stieß den Zeigefinger in die Wunde und bohrte ihn, so tief ich konnte, in Anthonys warme Brusthöhle, und als ich ihn herauszog, quoll das Blut hoch und strömte wieder.
    Ich drückte mein ganzes Gewicht auf seine Brust, die sich krampfhaft hob und senkte, schließlich innehielt.
    Ich stand auf, ging ins Badezimmer, wusch mir die Hände und warf die Schrotflinte zurück aufs Bett.
    Als ich nach unten ging, stand Susan in der offenen Tür. Auf dem Vorplatz standen zwei Polizeiwagen, und Polizisten in Uniform liefen raschen Schrittes aufs Haus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher