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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Autoren: Virginia Ironside
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mir, die keine Enkelkinder haben, finden, dass ich mit meiner Großmuttermanie fürchterlich übertreibe. Sie fragen spitz: » Weißt du nichts Besseres mit deinem Leben anzufangen?« Und sie schimpfen, wenn ich wieder mal einen Theaterbesuch absage, weil ich meine Enkelsöhne babysitten muss. » Die schlafen doch sowieso!«, nörgeln sie. » Und außerdem könnte doch jeder andere auf sie aufpassen! W arum gerade du?« A ber ganz ehrlich: Ich sitze lieber in einem stillen Haus und lausche den A temzügen meiner Enkelsöhne, die aus dem Babyphon dringen, anstatt mir irgendeinen selbstverliebten Schauspieler anzutun, der als Hamlet verkleidet über die Bühne stolziert. W enn meine Enkelsöhne aufwachen, dann sollte jemand da sein, der sie liebt, und nicht irgendein kompetenter Fremder, finde ich. A llein dort im Haus herumzuwuseln, dies und jenes zu erledigen, während man weiß, dort oben schlafen zwei kleine W esen, die kleinen Fäustchen im Mund, gibt mir ein warmes Gefühl, das bis zum nächsten Tag anhält.
    Es heißt, Enkelkinder seien die Belohnung dafür, dass man seine eigenen Kinder nicht ermordet hat. Margaret Mead, eine große A nthropologin, hat es sinnigerweise so ausgedrückt: » Großeltern und Enkelkinder verstehen sich vor allem deshalb so gut, weil sie einen gemeinsamen Feind haben.«
    Obwohl mein Sohn erst zweiunddreißig war, als ich sechzig wurde, habe ich lange überhaupt nicht damit gerechnet, Enkelkinder zu bekommen (zumindest nicht, bevor ich sabbernd in einem Sessel sitze und es nicht mehr bis zur Toilette schaffe). Ich versuchte mich vor einer Enttäuschung zu bewahren, indem ich mir vorstellte, dass er, falls er jemals eine Partnerin finden sollte, wahrscheinlich mit ihr nach A ustralien auswandern und ich ihn nie wieder sehen würde. Es schien mir das Beste, mir gar nicht erst Hoffnungen zu machen. W ie viele von uns Oldies, so frage ich mich, pfeifen fröhlich vor sich hin, nur um zu verhindern, dass die Frage aller Fragen aus ihnen herausbricht: » Wann gründest du endlich eine Familie? Und wann bekomme ich Enkelkinder?«
    Es ist dieses » bekomme ich«, das alle A dressaten der Frage so total verschreckt. V erständlicherweise. Denn wer hat schon gerne eine Granny im Nacken, die, mit einem riesigen Schmetterlingsnetz bewaffnet, nur darauf wartet, dass das erste Enkelkind herangeflattert kommt, um es einzufangen und triumphierend davonzutragen, als wäre es eine Trophäe. Das muss jedes junge Pärchen so verschrecken, dass gar nichts mehr geht.
    Aber wenn es eine Granny richtig anstellt, kann sie eher Stütze als Bedrohung für ihre eigenen Kinder, die Eltern ihrer Enkelkinder, sein. Fünfundsechzig Prozent aller Großmütter nehmen aktiv an der Erziehung ihrer Enkelkinder teil. Denn es ist so schön, noch gebraucht zu werden, wenn man alt ist. Noch schöner ist, dass man gebraucht wird, um auf diese wunderbaren W esen aufzupassen, die unsere Enkelkinder sind. Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder aus Familien mit starken Großelternbeziehungen psychisch weit stabiler sind als andere. Die Großeltern stehen dem Kind nahe, sind aber gleichzeitig alt und weise genug, um den Enkeln aus einer objektiven Distanz Ratschläge geben zu können, wenn sie mit ihren Eltern nicht auskommen. Für mich sind Großeltern so was wie der Europäische Gerichtshof. In Italien gibt es ein Sprichwort: » Wenn gar nichts mehr geht, hol Großmutter.« Und da ist tatsächlich etwas dran– wenn die Mutter dich bestraft hat und der V ater böse auf dich ist, dann können Oma oder Opa vermitteln, verhärtete Fronten aufweichen und Grauzonen aufdecken, wo man zuvor nur Schwarz-Weiß gesehen hat.
    Natürlich ist heutzutage alles anders als früher. Das fängt schon in der Schwangerschaft an. Heutzutage gibt es Ultraschalluntersuchungen, dank derer man das Geschlecht des Kindes schon lange kennt, bevor es auf die W elt kommt– etwas, das früher undenkbar gewesen wäre. Leider ähneln Ultraschallfotos diesen Zeitungsfotos von W olken, auf denen jene, die auserwählt sind, das A ntlitz Mariens erkennen können. Oder war es Jesus? Hat nicht mal jemand in einer Toastscheibe Jesus gesehen?
    Zweifellos aufgrund meiner nachlassenden Sehkraft kann ich auf solchen Fotos immer nur einen undefinierbaren Klumpen erkennen. A ls Kind hatte ich einmal ein Suchbild von einem W ald, in dessen knorrigen Ästen sich Kobolde versteckten, die man finden musste– auch dazu war ich nicht in der Lage. Und so erging es mir wie
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