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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm
Autoren: Johan Theorin
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Gast. Wir hatten viele Besucher heute Nacht, aber die sind jetzt alle weg … es ist ein anstrengendes Weihnachtsfest gewesen.«
    »Ich weiß«, sagte Gerlof. »Tilda hat heute früh aus dem Krankenhaus angerufen. Sie hat mir erzählt, dass sie bei Ihnen auf Einbrecherjagd gewesen ist.«
    »Ja, die waren gekommen, um Gemälde zu stehlen«, sagte Joakim. »Torun Rambes Gemälde … sie waren der festen Meinung, dass sie hier irgendwo sein sollten.«
    »Ach, ja?«
    »Aber wir haben nur ein einziges Gemälde von ihr auf dem Hof. Fast alle anderen sind vernichtet worden, allerdings nicht von Torun oder ihrer Tochter Mirja, wie wir immer dachten. Ein alter Fischer soll sie ins Meer geworfen haben.«
    »Wann soll das gewesen sein?«
    »Im Winter 1962.«
    »’62«, wiederholte Gerlof. »In dem Jahr ist mein Bruder Ragnar am Strand erfroren.«
    »Ragnar Davidsson … das war Ihr Bruder?«, fragte Joakim.
    »Mein älterer Bruder.«
    »Er ist nicht erfroren«, klärte Joakim ihn auf. »Ich glaube, er wurde vergiftet.«
    Dann erzählte er, was er in Mirja Rambes Buch gelesen hatte, über ihre letzte Nacht auf dem Hof und über den Aalfischer, der in den Sturm hinausgerannt war. Gerlof hörte zu, ohne Fragen zu stellen.
    »Das klingt, als ob Ragnar Holzspiritus getrunken hat«, stellte er nüchtern fest. »Der soll ja wie Schnaps schmecken, aber man wird natürlich krank davon. Sterbenskrank.«
    »In Mirjas Augen war es offensichtlich eine angemessene Strafe«, entgegnete Joakim.
    »Hat er denn die Bilder wirklich vernichtet?« fragte Gerlof. »Ich kann mir das nicht vorstellen. Wenn mein Bruder etwas in die Finger bekam, dann hat er es behalten … er war viel zu geizig, um Dinge einfach zu zerstören.«
    Joakim schwieg und dachte nach.
    »Ehe ich es vergesse, ich habe noch etwas für Sie«, fuhr Gerlof fort. »Ich habe etwas auf Band aufgenommen.«
    »Aufgenommen?«
    »Ich habe mir so meine Gedanken gemacht«, erklärte Gerlof. »Es ist eine Kassette, auf der ich über die Ereignisse auf Åludden nachdenke … Sie erhalten sie bestimmt, sobald die Post wieder zugestellt werden kann.«
    Eine halbe Stunde später rief die Polizei aus Kalmar an und teilte mit, dass sie den mutmaßlichen Einbrecher auf Åludden abholen würden – vorausgesetzt, Joakim könne eine ebene und freie Stelle für den Hubschrauber bereitstellen.
    »Platz gibt es hier genug«, erwiderte Joakim.
    Dann ging er nach draußen und schaufelte ein Viereck auf dem Acker hinter dem Haus frei und entfernte das Eis in der Form eines Kreuzes, damit die schwarze Erde in dem gefrorenen Boden den Landeplatz markierte. Als er den Hubschrauber aus südwestlicher Richtung kommen hörte, ging er ins Haus und beendete Freddys Fernsehunterhaltung.
    »Gehören die Autos da hinten Ihnen?«, fragte Joakim, als sie auf dem Feld warteten.
    Er zeigte auf ein paar Schneehügel, die auf der Zufahrt zum Hof zu sehen waren. Aus den Schneewehen sah man Metallteile ragen.
    Freddy nickte.
    »Da ist auch ein Boot dabei«, sagte er.
    »Alles gestohlen?«, fragte Joakim.
    »Ja.«
    Als der Hubschrauber angeflogen kam, konnte man sich nicht mehr unterhalten. Bevor er zur Landung auf dem Kreuz ansetzte, stand er einen Augenblick in der Luft und wirbelte weiße Schneewolken auf.
    Die beiden Polizisten, die auf sie zukamen, trugen Helme und dunkle Schutzanzüge. Freddy ließ sich ohne Protest abführen.
    »Kommen Sie zurecht?«, rief einer der Polizisten.
    Joakim nickte nur. Freddy winkte, und er winkte zurück.
    Als der Hubschrauber in Richtung Festland verschwunden war, stapfte Joakim zu den beiden mit Schnee bedeckten Autos.
    Er schaufelte den Schnee von dem größten Auto, einem schwarzen Lieferwagen, um durch die Scheibe sehen zu können.
    Dort saß jemand, regungslos.
    Joakim öffnete die Tür.
    Auf dem Fahrersitz saß ein Mann, zusammengekauert, als ob er bis zuletzt versucht hätte, die Wärme zu bewahren.
    Joakim musste nicht nach dem Puls des Mannes tasten, er wusste sofort, dass er tot war.
    Der Schlüssel steckte. Der Mann hatte den Motor offensichtlich so lange laufen lassen, bis er irgendwann nachts ausgegangen war und die Kälte sich wieder im Auto hatte ausbreiten können.
    Behutsam schloss Joakim die Wagentür. Dann ging er zurück zum Hof. Die Polizei sollte erfahren, dass auch der letzte Einbrecher gefunden worden war.

43
    D er Sturm war vorübergezogen, und die Sonne schien unermüdlich über Åludden. Der Schnee schmolz zwar nicht, aber ab und zu lösten sich
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