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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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entspannte Ferientage. Lange Spaziergänge durch den Park, ein Bummel durch Coburgs schöne Altstadt, Bratwurst essen auf dem Markt, den Schlossplatz bewundern, erleichtert seine alte Lehranstalt am Salvatorfriedhof von außen betrachten und dann ein Latte macchiato in der Eisdiele. Außerdem hatte er endlich einmal Zeit, alte Freunde zu treffen, was er seit Jahren mit Rücksicht auf Astrid und die Kinder und deren Bedürfnisse nicht mehr geschafft hatte. Die Einzigen, zu denen der Kontakt nie abgerissen war, waren Johannes und seine Frau Rosi, deren Bauernhof am anderen Ende des Dorfes lag. Jedenfalls würde er die unverhoffte Zeit für sich allein gut zu nutzen wissen.
    Trotz des genossenen Käsekuchens verspürte er schon wieder Appetit, als ihm beim Nachhausekommen der Duft eines kräftigen Bratens in die Nase stieg. Georg steckte seinen Kopf in die Küchentür.
    »Mmh, was machst du denn da Schönes, Mamma?«
    »Riechst es denn net? Klöß und Sauerbroutn!«
    Das klang unwirsch. Georg aber verstand den Aufwand ihm zu Ehren mitten in der Woche schon richtig. Er nahm es als ein Zeichen mütterlicher Zuwendung. Seine Mutter konnte noch nie besonders gut ihre Zuneigung ausdrücken und schien alles an Gefühl und Liebe beim Kochen zu verbrauchen. So war sie schon immer gewesen. Da Coburger Klöße für ihn mittlerweile etwas ganz Besonderes waren, ließ er sich gern damit verwöhnen. Als er noch in Niederengbach lebte, war im Haus seiner Mutter ein Sonntag ohne Klöße nicht denkbar – wie auch in fast allen anderen Haushalten im Dorf. Klöße gehörten zu einem Sonntag einfach dazu. Aber wenn ihn jetzt in Lübeck danach gelüstete, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie selbst zu machen.
    »Kommst grad recht. Der Deich muss jetzt gebrüht werden.«
    Das war jener spannende und seltene Moment, in dem gewöhnlich auch der Mann im Haus einmal in der Woche in der Küche in Aktion trat. Der kochend heiße Kartoffelbrei musste mit viel Fingerspitzengefühl auf die geriebenen rohen und mit Stärke gemischten Kartoffeln gegossen werden und schnellstens mit kräftigen, aber gleichmäßigen Schlägen zu einem homogenen Teig verarbeitet werden. Da Angermüller meist wenig Zeit hatte, bereitete er zu Hause eine Variante, die seine Mutter abfällig »Faule-Weiber-Klöß« nannte und die im Gegensatz zum Original statt mit rohen Kartoffeln mit Kartoffelmehl zubereitet wurde.
    Auf dem Herd brodelte schon ein großer Topf mit Wasser, in Butter geröstete Weißbrotbröckchen standen bereit und daneben ein Topf mit kaltem Wasser. Seine Mutter tauchte die Hände hinein, nahm eine Portion des heißen Teiges, drückte ein paar Bröckchen in die Mitte, formte schnell eine apfelgroße Kugel und ließ sie ins heiße Wasser gleiten.
    Zum Abendessen wechselte man ins Wohnzimmer. Angermüller bekam eine riesige Scheibe von dem appetitlich duftenden Sauerbraten auf den Teller gelegt und daneben einen Kloß. Wie es sich gehörte, riss er den lockeren, hellen Teig mit Messer und Gabel auseinander und gab dann reichlich von der hellbraunen Soße darüber. Gleich nach dem ersten Bissen versank er in hingebungsvolle Andacht. Die Klöße luftig und leicht, der Braten zart und aromatisch, der ausgewogene Geschmack der Soße einfach unbeschreiblich! Welch eine perfekte Kombination! Und im Norden aßen sie Salzkartoffeln zum Braten … Seine Mutter hatte sogar für jeden noch einen Salatteller mit gekochten Möhren, Gurke und grünem Salat bereitet. Es war ein echtes Sonntagsessen und Angermüller genoss es von der ersten bis zur letzten Gabel. Auch Marga und seiner Mutter schien es zu schmecken, denn auch sie sagten nicht viel.
    Kaum hatten sie ihr köstliches Abendessen beendet und den Tisch abgeräumt, wurde der Fernseher angestellt. Der Ton war ziemlich laut gedreht, denn seine Mutter hörte nicht mehr so gut, was sie allerdings vehement abstritt. An eine ernsthafte Unterhaltung war bei diesem Nebengeräusch nicht zu denken. Da Angermüller aus Erfahrung wusste, dass seine Mutter sehr empfindlich reagierte, wenn er gleich am ersten Abend ausging, fügte er sich und blieb bei den beiden Frauen sitzen. Er trank sein Bier, das im Dorf gebraut wurde und das für ihn immer noch das beste war, das man finden konnte, und sah sich einen schlechten Krimi an. Gegen halb zehn, als man sich der Aufklärung des Falles näherte, war seine Mutter mit leisem Scharchen auf dem Sofa eingeschlafen. Gerade sah man die beiden Kommissare die elegante Ehefrau eines
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