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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mit ihren gemütlichen Gasthöfen schätzen gelernt – sie mochte seine fränkische Heimat. Doch als richtigen Urlaub wertete sie die Zeit dort nie. Sie fand die Besuche bei seiner Familie immer sehr anstrengend, die gut gemeinte Gastfreundschaft engte sie ein und im Haus seiner Mutter fühlte sie sich schon gar nicht heimisch.
    »Georg? Wo bleibstn? Es is scho spät! Des Frühstück steht fei scho lang aufm Disch!«
    Seine Schwester und seine Mutter sprachen im Gegensatz zu Angermüller ihren gewohnten Dialekt. Die auffälligsten Eigenheiten waren, dass P und T hier wie B und D gesprochen wurden, das A stets dunkel klang und scheinbar unnötige Vokale häufig einfach wegfielen. Angermüller hatte zwar vieles davon bereits abgelegt, doch gerade im Norden wurde er an seiner immer noch weichen Aussprache oft als Franke erkannt.
    »Ich komm gleich, Mamma! Ich geh nur noch schnell duschen!«

     
    In der Küche seiner Mutter hatte sich seit seinem Weggang aus Niederengbach fast nichts verändert. In der einen Ecke der Herd und die Spüle, daneben eine Anrichte mit Arbeitsplatte, gegenüber der Kühlschrank, der Küchenschrank mit Aufsatz und danach die Eckbank mit ihren bunten Sitzkissen und der Tisch mit dem unvermeidlichen Wachstuch. Darüber an der Wand irgendein bebilderter Kalender, das Weihnachtsgeschenk aus der Apotheke, und daneben das Foto von seinen Schwestern, der Mutter mit dem kleinen Georg auf dem Arm neben dem früh verstorbenen Vater. Da eine Gardine vor dem einzigen Fenster das ohnehin spärliche Tageslicht noch weiter reduzierte, war es unter der niedrigen Decke ziemlich dunkel.
    »Einen wunderschönen guten Morgen, ihr zwei!«, schmetterte Georg in den düsteren Raum. Marga lächelte ihm von der Eckbank entgegen und grüßte fröhlich zurück. Seine älteste Schwester, die nie zu Hause ausgezogen war und im nächsten Jahr 50 wurde, hatte sich für die Zeit seines Besuches freigenommen. Mutters Geburtstag am Wochenende, die geplante Feier aus diesem Anlass und seine Anwesenheit waren für sie ganz besondere Ereignisse. Seine Mutter brummte ein »Morchn«, drehte ihm den Rücken zu und werkelte weiter energisch an der Kaffeemaschine. Er setzte sich auf den Platz auf der Eckbank, den er schon in seiner Kindheit immer eingenommen hatte.
    »So. Des wird ja ach Zeit!«
    Die Mutter stellte die orangefarbene Isolierkanne auf den Tisch, die unübersehbare Spuren ihrer langjährigen Dienste trug und auch Georg wohlvertraut war. Ihm fiel ein, dass sie ihr vor Jahren so eine schicke, silberne geschenkt hatten, da Astrid das orangefarbene Ungetüm nicht nur hässlich, sondern auch ziemlich unappetitlich gefunden hatte. Offensichtlich war das neue Modell noch nicht in den täglichen Gebrauch gelangt.
    Ein Korb frischer Brötchen stand bereit, von Marga in aller Frühe besorgt, und daneben lag ein Stück kräftiges Bauernbrot, wie man es nur hier zu backen wusste. Die von seiner Mutter selbst eingekochten Marmeladen waren da, ein paar Scheiben saftiger Kochschinken, herzhafte Bauernleberwurst, geräucherte Rote und der Coburger Butterkäse, den Georg so liebte. Seine Mutter schlurfte immer noch geschäftig in der Küche hin und her. Seit ihrem leichten Schlaganfall vor ein paar Monaten zog sie kaum merklich das linke Bein etwas nach und auch die linke Hand hatte nicht mehr die Kraft und Beweglichkeit wie früher.
    »So. Hier is noch e bissle Klickerleskäs mit Schnittlauch ausm Garten.«
    Endlich setzte sie sich auch zu ihnen und stellte den Schnittlauchquark auf den Tisch. Georg, der wusste, dass dieses üppige Frühstück ihm zu Ehren angerichtet worden war, belohnte die Mühe und langte mit großem Appetit zu.
    »Das ist ja wirklich ein Genuss, dieses fränkische Landbrot und der Käse!«
    »Könnst des ja öfter ham, wenn de öfters komme dätst.«
    Georg nickte stumm und forschte nach, welche Gewürze dieses kräftige Roggenbrot wohl so schmackhaft machten. Er kam auf Kümmel und Anis, aber da musste auch noch ein drittes Aroma sein. Koriander, dachte er dann, wahrscheinlich war es Koriander.

     
    Am Vortag hatte ihn Marga am Nachmittag mit ihrem Wagen vom Bahnhof in Oeslau abgeholt, was einer großen Ehre gleichkam. Seine Schwester fuhr nicht gern Auto, nur wenn es unbedingt sein musste, und die weiteste Strecke, die sie je zurückgelegt hatte, war ein Ausflug nach Bamberg, der schon sehr lange zurücklag. Von dieser aufregenden Fahrt berichtete sie heute noch atemlos. Der Golf, den sie seit 20 Jahren besaß,
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