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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Häuser – er war ein reicher Mann und in Zukunft würde er auch wieder so leben und weder Paola noch die ganze andere undankbare Brut würden ihm da hineinreden! Nicht Paola, die ihm ständig Vorschriften machte unter dem Vorwand, es gut zu meinen, und die nur an das Hotel dachte und ständig neue Pläne hatte, die Geld kosteten. Nicht ihre ältere Schwester, die mit ihrem Kinesensohn plötzlich wieder hier aufgetaucht war und die es ohnehin nur auf das Erbe abgesehen hatte, was ihm sofort klar wurde. Deshalb hatte er sie gleich hochkant wieder hinausgeworfen. Und Rosi würde ihm schon gar nicht hineinreden, die war ja sowieso für ihn gestorben, seit sie diesen Biobauern geheiratet hatte. Der erst! Der würde sich auch noch wundern! Bei dem Gedanken daran rieb er sich innerlich die Hände.
    Die Straße war feucht vom Tau der Nacht. Die Sonne schaffte es noch nicht, den dichten Hochnebel zu durchdringen, der im Oktober hier häufig herrschte, und so war es noch ziemlich kalt um diese frühe Stunde. Irina hatte heute ihren freien Tag und irgend so eine unfreundliche Alte hatte sie vertreten. Das würde bald ein Ende haben! Er fuhr mit seinem Elektrorollstuhl mitten auf der Straße und wich nicht aus, als er hinter sich den Motor eines Wagens hörte. Diesen Rollstuhl, der ihm wenigstens ein bisschen Unabhängigkeit verschaffte, selbst den hatte er sich hart erkämpfen müssen. Paola hatte im Bunde mit den Ärzten und sonstigen Leuten, die es angeblich gut mit ihm meinten, bis zum letzten Moment zu verhindern versucht, dass er sich damit allein draußen bewegte. Ein kurzes Hupen und der Wagen zog links ganz knapp an ihm vorbei. Erschrocken blieb er stehen, wollte dem Fahrer mit der geballten Faust drohen und ihm ›Sauhund‹ nachrufen, doch weder das eine noch das andere gelang, es kam nur ein heiserer, gutturaler Laut heraus. Der Wagen war längst hinter der nächsten Kurve verschwunden, er stand immer noch in der Mitte der Straße und in der Stille vermeinte er jetzt leise Schritte zu hören. Er lauschte. Nein, da war nichts, wohl nur sein Herz, das der Schreck schneller hatte pumpen lassen. Er war wieder allein. Niemand ging hier um diese Uhrzeit spazieren.
    Auf dem Hügel hinter dem Dorf begann unmerklich der englische Landschaftsgarten, den einer der Coburger Herzöge vor 200 Jahren um die Rosenau hatte anlegen lassen. Es gab keine Mauer, keinen Zaun. Ahorn, Eichen und Linden säumten die Straße, zwar gelb gefärbt schon, aber immer noch mit dichtem Blattwerk. Der kräftige Herbstwind ließ in diesem Jahr auf sich warten. Er richtete seinen Blick nach rechts, wo in einiger Entfernung ein größerer Teich lag, der sich stolz Schwanensee nannte. Auch hier ein Nebelschleier über dem Wasser. Bald würde er mit Irina seine Ausfahrten machen, er würde ein Auto anschaffen, das seinen Rollstuhl aufnehmen konnte, sie würden Ausflüge unternehmen, vielleicht sogar verreisen, wenn sie das wollte. Mangels Sonne zeigte die Sonnenuhr zur Linken keine Stunde an. Er hatte in den letzten Jahren Geduld gelernt, aber heute fiel ihm das Warten schwer, und er wünschte, es wäre bald Nachmittag.
    Neben ihm tauchte das hölzerne Geländer auf, das gerade erst im Sommer mit großem Aufwand oberhalb der Felsengrotte errichtet worden war, um die Besucher vor einem Sturz in den Abgrund zu bewahren. Da war wieder eine Menge Geld rausgeschmissen worden! Alles immer nur vom Besten und Feinsten – hätte er es gekonnt, er hätte verständnislos seinen Kopf geschüttelt. Erst recht als er jetzt entdeckte, dass an einer Stelle jemand die Absperrung mit roher Gewalt zerstört hatte! Er lenkte seinen Rollstuhl näher heran, um die zersplitterten Holzbalken aus der Nähe zu betrachten. Das musste ganz frisch sein, denn als er vorgestern hier entlanggekommen war, war ihm nichts dergleichen aufgefallen und die Bruchstellen waren noch ganz hell. Der kleine Wasserfall plätscherte über die bemoosten Felsen hinunter und zog sich als Bach durch den Grund der künstlich angelegten Grotte.
    Er hatte genug gesehen und wollte mit dem Rollstuhl zurücksetzen, um seinen Weg zum Schloss wieder aufzunehmen, als er einen Widerstand spürte. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass da jemand hinter seinem Rollstuhl stand, der ihn daran hinderte loszufahren. Er stieß ein wütendes Grunzen aus und wollte sich instinktiv umdrehen, doch seit Jahren schon gehorchte ihm bis auf seine linke Hand sein Körper nicht mehr. Dann fühlte er ein paar Hände,
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