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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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Zeitpunkt verpasst, ab dem es würdig zu altern galt. Der Versuch, die Zeit mit Schminke und Puder zu überdecken, hatte die Züge seines schönen Gesichts zu einer Maske erstarren lassen. Die Wangen glatt und jugendlich gerötet, die Lippen feurig rot, das gelockte Haar kastanienbraun - seine Erscheinung rief inzwischen mehr Spott als Leidenschaft hervor.
    Auch Scorutar war Fürst und Mitglied des Thronrates, Herr über den Swaaing-Archipel und zudem Oberbefehlshaber der kaiserlichen Flotte im Silbermeer.
    »Mir scheint, hier wird gefeiert!«, stieß Binhipar hervor.
    Scorutar spitzte spöttisch den Mund. »Wir kommen wohl früh genug, um mitfeiern zu können. Ein paar Karaffen Wein sind dort drüben zu haben, und auch die eine oder andere Baronin scheint noch unbesetzt.« »Es ist eine Schande«, zischte Binhipar, »eine Schande, dies mit anzusehen.«
    »Ihr seid zu prüde, Binhipar. An einem solch schönen Herbsttag sollte man seinen Gefühlen freien Lauf lassen! Wenn auch, ich muss es zugeben, früher etwas mehr Diskretion geübt wurde.«
    »Mitten im Gras paaren sie sich!« Binhipars Stiefelspitze verirrte sich von der Marmorplatte, bohrte sich brutal in die Erdkrume. »Früher hätte ich sie dafür an den Pranger gestellt!«
    Scorutar lachte auf. »Oh, das könntet Ihr auch heute noch. Wenn Ihr wolltet, könntet Ihr die Gardisten holen und mit dem Speer diese Gesellschaft auseinander treiben lassen.« Er strich sich belustigt über den dürren Hals. »Doch Ihr tut es nicht, und Ihr wisst den Grund dafür. Warum verflucht Ihr, was Ihr selbst heraufbeschworen habt - und das wir alle dulden, seit Jahren schon.«
    Voller Wut fuhr Binhipar herum. »Ich benötige keine Belehrungen!«
    Scorutar schenkte ihm ein mildes Lächeln. »Spart Euch Euren Zorn für die Thronratssitzung auf, Binhipar. Der Silberne Kreis ist nicht gut auf uns zu sprechen, und unser geschätzter Freund Baniter Geneder wird es sich gewiss nicht nehmen lassen, die Fürsten gegen uns aufzuhetzen.«
    Binhipar stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Baniter Geneder … ich hatte gehofft, von diesem Aufwiegler verschont zu bleiben. Ihr hattet mir Euer Wort gegeben, ihn von der heutigen Sitzung fern zu halten, Scorutar!« Scorutar schüttelte voller Bedauern den Kopf, sodass seine kastanienbraunen Locken umher flogen. »Ich habe mein Möglichstes getan, doch der schlaue Hund hat sich dieses Mal nicht narren lassen. Wir müssen seine Anwesenheit wohl oder übel in Kauf nehmen.«
    Binhipar starrte ihn zornig an. »Er wird uns erneut jedes Wort im Munde umdrehen. Falls Baniter Geneder die heutige Sitzung verdirbt, ist dies allein Eure Schuld!«
    Scorutar spitzte die grotesk roten Lippen und formulierte im Geist bereits eine gehässige Antwort, als ihn eine rasche Bewegung am Brunnen ablenkte. Ein roter Mantel flatterte im Wind, peitschte über die Wasseroberfläche. Mit lautem Gelächter hatte sich ein junger Mann auf den Brunnenrand geschwungen, beklatscht und bejubelt von der Schar. Schneller wurde die Musik, als er sich das Haar aus dem schmalen Gesicht strich, seine Hand nach unten streckte. Eines der Mädchen - hinreißend ihr Gesicht - ergriff sie, und schon hatte er sie zu sich heraufgezogen, umarmte sie, lachte, strich über ihr braun gelocktes Haar, genoss das Lachen um sich herum, die stürmische Melodie und das Plätschern aus den Mündern der Steinfiguren, die stumm zum Himmel blickten.
    »Mir scheint, unser Kaiser ist heute wieder besonders guter Laune«, sagte Scorutar. »Der Wein muss ganz hervorragend sein!«
    Lachend riss der Kaiser die Arme empor, taumelte glückselig. Ein neuer Krug wurde ihm empor gereicht. Mit vollen Zügen trank er, bis ihm der Wein am Hals herab lief.
    Scorutar ließ ein hässliches Lachen ertönen. »Wartet nur, er fällt noch in den Brunnen, wenn er weiter trinkt. Da - seht! Fast wäre er gestürzt, hätte ihn das junge Ding nicht festgehalten.«
    »Wer ist die kleine Hure?«, fauchte Binhipar.
    »Ihr Name ist Ceyla Illiandrin. Die Tochter eines verarmten Ritters aus Palgura. Niedrigste Herkunft.« Seine gierigen Blicke tasteten den Körper des Mädchens von oben bis unten ab. »Doch niedlich ist sie, das muss ich zugeben.« Genüsslich sah er zu, wie der Kaiser sich auf den Rand des Brunnens kniete und den voll gesogenen Mantel nach hinten warf. Vorsichtig zog er Ceyla zu sich herab, und sie kicherte, als sie ihren Kopf an seine Schulter legte. Akendor presste sie an sich, den Blick in die Ferne gerichtet. Sein
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