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Nea - James erzaehlt –

Nea - James erzaehlt –

Titel: Nea - James erzaehlt –
Autoren: Natalie Rabengut
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strich über den strahlend orangefarbenen Lack der Maschine, auf der ich saß.  
    „Rabeneick? Rabe? Ach komm’, das ist ja wohl nicht so unglaublich weit hergeholt, oder?“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, die ausgesprochen verzweifelt wirkte. „Aber egal, wir sind ja hier.“
    Wenn Juna einmal nicht sprach, hörte ich sofort das leise Rauschen des Amber, der in der Nähe vorbeifloss. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte die U-förmige Baumformation, an der wir geparkt hatten, in helles Licht. Wir konnten die gesamte, grün-braun gescheckte Umgebung überblicken; es war wie ein Gemälde. Ich nickte. Das hier war der perfekte Ort.
    „Und du bist dir sicher, dass sie es finden werden?“
    „Natürlich.“
    „Die East Midlands sind groß, James – und ganz ehrlich? Ich finde, irgendwie sieht hier alles gleich aus: Wiese, Felsen, Bäche, Bäume, wieder und wieder und wieder. Schön ist’s auf jeden Fall, aber woher willst du denn wissen, dass Mike weiß, wo er hin soll, hm? Wart ihr schon einmal hier? Nein! Hast du ihm eine Karte gezeichnet? Nein! Heißt für mich: Es besteht die viel zu große Wahrscheinlichkeit, dass wir uns hier die Beine in den Bauch stehen und die arme Linnea noch länger darauf warten muss, dass Mike sie fragt. Und das finde ich nicht gut! Ist schon längst überfällig! Arme Nea, wartet und wartet und wartet.“
    Während Juna weiter plapperte, sah ich auf der schmalen Straße, die sich vor uns erstreckte, wie zwei kleine Figuren langsam größer wurden.
    „Ich glaube, du findest es schlimmer als deine Schwester, dass es noch keinen Antrag gab“, zog ich sie auf.
    „Pah, das sagst du! Aber ich kenne meine kleine Schwester, jawohl, da macht mir keiner etwas vor. Sie mag nicht laut leiden, aber sie leidet. Endloses Warten, wer hält das denn schon aus? Selbst der positivste Mensch verliert doch irgendwann die Hoffnung, und Nea ist ein ausgesprochen positiver Mensch – also schätze ich, wir könnten wohl wirklich noch etwas warten, weil sie dieser Logik nach immer noch Hoffnung hat. Blöde Logik! Warten ist doof, so! Ich will nicht mehr warten!“  
    Leise seufzte ich. „Juna?“
    „Du hättest mir einfach nie davon erzählen sollen, wirklich! Ich fühle mich gerade wie vor der letzten Kochprüfung. Prüfungen mag ich nicht, da vergeht mir der Appetit. Ach was, nicht nur der Appetit, da vergeht mir direkt die Lust an allem. Das ist doch-“
    „Juna?“
    „Ja?“
    „Sie kommen.“
    Endlich schwieg sie.
    Nachdem sowohl Mike und Linnea mir von dem Marathon erzählt hatten, bei dem sie sich kennengelernt hatten, war mir letzten Endes, als mein Kopf endlich nicht mehr nur mit Sophie beschäftigt war, das perfekte Szenario für einen Heiratsantrag eingefallen. Es war so simpel und hatte die ganze Zeit lang im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor meiner Nase gelegen.
    Da Linnea und Mike zum Ausgleich zu ihren Verpflichtungen im Nea immer noch beeindruckende Distanzen liefen, hatte ich Mike instruiert, Linnea unter dem Vorwand eines etwas längeren Trainings zu diesem idyllischen Ort hier zu bringen – als ich aus Ripley zurückgekommen war, hatte die Lichtung in rotem Abendlicht geleuchtet; ich hatte sogar angehalten, um den Ausblick kurz zu genießen. Letztendlich hatte ich nur noch die Puzzlestücke zusammenfügen müssen.
    Innerhalb von wenigen Minuten hatten Mike und Linnea uns erreicht; sie waren schnell, hatten sich offenbar ein kleines Wettrennen auf den letzten Metern geliefert. Beide waren verschwitzt und außer Atem, als sie ankamen – genauso, wie sie sich kennengelernt hatten.
    Als Linnea uns sah, fragte sie überrascht: „Was macht ihr denn hier?“
    Niemand sprach und ich ging langsam auf Mike zu, während ich in die Innentasche meiner Jacke griff. Dann gab ich ihm die Schatulle mit dem eleganten Brillantring. Er nickte mir zu, ich klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter und gesellte mich wieder zu Juna, die mit vor der Brust gefalteten Händen die Szenerie aus einem Meter Entfernung beobachtete.
    Linnea schlug die Hand vor den Mund und verharrte bewegungslos; leichter Wind ließ ihre langen, blonden Haare wehen.
    Lächelnd küsste Mike einmal ihre Wange, dann ging er auf die Knie und öffnete das kleine Kistchen. „Nea, meine große Liebe, ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals so vor einer Frau wiederfinden würde – ich hoffe bloß, du kommst nicht auf falsche Ideen; das bleibt eine Ausnahme.“
    Linnea
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