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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Scham oder Demütigung empfunden hatte, als der Oshanta ihm mit ausdrucksloser Miene half, sich zu erleichtern und zu waschen.
    „Kann nicht mehr“, stöhnte er, so heiser, dass er sich selbst kaum verstand.
    „Noch ein paar Schritte. Du musst dich bewegen, sonst nimmt dein Körper noch mehr Schaden.“
    Unbarmherzig trieb Iyen ihn weiter, ließ ihn dann endlich neben einem Busch niedersinken, wo die Ausrüstung versteckt lag. Noch war es nicht dunkel, aber es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Nacht hereinbrechen würde. Bei dem Gedanken an eine nächtliche Wanderung, bei der er möglicherweise auch noch weite Strecken selbst laufen sollte, hätte Rouven losweinen können. Er war so müde, und alles schmerzte so furchtbar …
    „Komm hierher auf die Decke“, sagte Iyen und zog ihn neben sich. „Brauchst du meine Kleidung noch?“ Verwirrt starrte Rouven ihn an, bis ihm bewusst wurde, dass der Oshanta nackt war. Wie hatte er so etwas übersehen können? Hastig schüttelte er den Kopf und versuchte, die Verschnürung des fremden Hemdes zu lösen; doch seine Finger zitterten so stark, dass er die Bänder nicht zu fassen bekam. Tränen stiegen ihm in die Augen, als Iyen ihm die Hände wegzog und es für ihn übernahm, aus Wut auf sich selbst wie aus Angst vor der Berührung. Er wünschte, Iyen würde mit ihm reden, um ihn abzulenken. Ihm wäre das Thema egal gewesen, irgendetwas, das Wetter, wenn es sein musste. Anscheinend hasste aber der Oshanta jede Art von Verschwendung, von Worten ebenso wie von jugendlichen Körpern … War er es nicht gewesen, der so etwas gesagt hatte, als … Rouven wimmerte, als die Erinnerungen ihn überfielen, was eine Kaskade von Schmerz und Panik auslöste, wodurch er völlig die Beherrschung verlor.
    „Leiser!“, zischte der Oshanta, „wir sind noch nicht in Sicherheit!“ Rouven versuchte, die Tränenflut zurückzuhalten, doch all seine inneren Dämme brachen. Rückhaltlos weinte er weiter, spürte dabei kaum, wie er hochgezogen wurde. Erst, als sich starke Arme um ihn schlossen und er sich an Iyens breiter Brust wiederfand, begriff er, dass hier gerade etwas Undenkbares geschah – ein Oshanta, der Trost schenkte statt den Tod. Zitternd klammerte er sich an diesen Mann, der ihn fest an sich drückte und so das laute Schluchzen mit seinem Körper etwas dämpfte. Die großen Hände, die auf seinem Kopf und seinem Rücken lagen, gaben Rouven die Sicherheit und den Halt, den er jetzt brauchte, um zumindest die nächsten Stunden zu überleben. Weiter als bis zum Ende der hereinbrechenden Nacht wagte er gar nicht zu denken.
    Selbst als seine Tränen versiegt, das krampfartige Schluchzen vergangen war, hielt Iyen ihn noch fest. Er sagte nichts, gab ihm keinerlei Zärtlichkeit in Form von Streicheln oder auch nur sanftes Wiegen seines Körpers. Doch die pure Kraft dieses Kriegers bedeutete Schutz und Geborgenheit und die Wärme seiner bloßen Haut barg keinen Schrecken.
    „Wir bleiben heute Nacht hier“, sagte er leise. Rouven nickte, drängte sich unwillkürlich noch dichter mit seinem ganzen Leib an ihn heran. Iyen nahm die Hand von seinem Kopf fort, kramte in seinem Bündel herum, ohne ihn dabei gänzlich loszulassen.
    „Ich habe ein etwas leichteres Mittel gegen deine Schmerzen. Es wirkt nicht so lang, ist dafür weniger gefährlich.“
    Rouven runzelte bei dieser Erklärung verwirrt die Stirn, hatte aber keine Kraft für Fragen – die ihm sowieso verboten waren, wie er sich unbehaglich erinnerte. Ein Schauder jagte über seinen Rücken, als er sich wieder bewusst wurde, wie bedrohlich sein Retter war. Er wusste nicht, was Iyen mit ihm vorhatte, es musste nichts mit Gnade zu tun haben. Gewiss brachte der Oshanta ihn lediglich zu dem Auftraggeber? Er verkrampfte sich, als Iyen nach seiner Schulter griff.
    Gegen die Kraft dieses Mannes kam er nicht an, mit behutsamer Gewalt wurde er gedreht, sodass er nun mit dem Rücken quer über Iyens Schoß lag, wogegen seine Wunden mit glühendem Schmerz protestierten. Rouven unterdrückte den Schrei, hielt die Augen geschlossen, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Erfüllt von Furcht starrte er in dieses so seltsam schöne wie schreckliche Gesicht.
    „Trink das“, sagte Iyen und hielt eine kleine Phiole hoch. Sie bestand aus einem durchsichtigen, harten Material, das die kynnischen Händler seit Kurzem von den nördlichen Inseln mitbrachten. Rouven staunte – es wurde teurer gehandelt als Gold. „Es schmeckt bitter, versuch
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