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Nathanael

Titel: Nathanael
Autoren: K Landers
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Unruhe ausgebrochen. Es ist zu befürchten, dass noch einer überläuft. Ich muss die Pforten bewachen. Du bist von meinem Blut. Vernichte den Gefallenen und seine Dämonen. Erweise dich als Blutengel würdig. Enttäusche mich nicht, mein Sohn.»
    Michael unterstrich seine Worte mit einer entschiedenen Geste, die keinen Zweifel darüber ließ, dass er keinen Widerspruch duldete. Er beugte sich vor und sah Nathanael mit strengem Blick an. Nathanael wusste, sein Vater forderte jetzt von ihm das Versprechen.
    «Ich werde dich nicht enttäuschen, Michael.»
    Nach seinen Worten entspannte sich die Miene des Erzengels.
    «Möge der Herr mit dir sein und dir Kraft spenden.» Er hob den Arm. Aus seiner Handfläche trat ein gleißender Lichtstrahl, der Nathanael wie eine dünne Membran umhüllte.
    Der Blutengel spürte, wie die Energie seines Vaters überall in seinen Körper drang und sich in warmen Wellen ausbreitete. Das Blut begann in seinen Adern zu pulsieren. Mit jedem Herzschlag fühlte er sich stärker. Die energetische Kraft drang aus seinen Händen und Füßen und ließ ihn eine Handbreit über dem Erdboden schweben. Ein Gefühl von Stärke und Macht durchströmte ihn, die Droge der Unbesiegbarkeit. Durch die zugeführte Energie würde sein Körper schneller regenerieren und weniger ermüden. Seine Muskeln strotzten vor Kraft und er fühlte sich stärker denn je.
    Als Michael seine Hand schloss, erlosch der Lichtstrahl. Langsam ließ Nathanael sich wieder zu Boden gleiten.
    Der Erzengel trat zurück. Seine Miene verzerrte sich. Er senkte den Kopf, als seine Flügel Haut und Anzug durchdrangen und sich wie bei einem frisch geschlüpften Schmetterling entfalteten.
    Nathanael betrachtete die weißen Schwingen, auf denen ein silbriger Glanz lag. Er legte seine rechte Hand aufs Herz und neigte respektvoll den Kopf, so wie er es gelernt hatte und es von ihm erwartet wurde. Doch immer, wenn er seinem Vater begegnete, wurde er an Ginas Tod erinnert. Jedes Mal wallte der Zorn erneut in ihm auf.
    Der Erzengel schlug mit den Flügeln, stieg in die Luft und verschwand schließlich im Dunkel der Nacht.
    Nathanael sah ihm lange nach.
    Die Stelle, wo sein Vater eben noch gestanden hatte, glitzerte vom silbrigen Staub seiner Schwingen.
    Er verfluchte sein Schicksal, das ihn dazu zwang, sich den himmlischen Mächten und Gesetzen zu unterwerfen. Es war das Leben eines Sklaven, das er führte, geboren, um Dämonen und Gefallene in die Hölle zurückzuschicken. Und wenn er sich widersetzte oder versagte, würde er entweder das Leben eines Geächteten führen oder ein Diener Luzifers werden. Es war ein gefährlicher Job, bei dem er Kopf und Kragen riskierte und der ihm keine Anerkennung zuteilwerden ließ. Wer hätte mit einem Blutengel tauschen wollen? Dennoch hatte er nie gegen sein Schicksal aufbegehrt, noch an seiner Bestimmung gezweifelt, bis zu Ginas Tod.
    Vergebung, Nächstenliebe und Gnade – alles nur leeres Geschwätz.

3.
    Steven genoss es sichtlich, der Mittelpunkt des Abends zu sein, und schlenderte lächelnd zwischen den zahlreichen Gästen umher, schüttelte unzählige Hände und wechselte mit jedem ein paar belanglose Worte. Dieser Small Talk ging Tessa mit der Zeit auf die Nerven. Es war wie verhext, immer wenn sie glaubte, sie hätte ihn einen Moment für sich allein, um ihm zu sagen, wie stolz sie auf ihn war, stand ein neuer Gratulant vor ihnen und beanspruchte Stevens Aufmerksamkeit. Am liebsten hätte sie sich zurückgezogen, aber als Lebensgefährtin des erfolgreichen Steven Greenberg war ihr Platz an seiner Seite.
    Ihr brummte der Schädel vom Stimmengewirr. Noch vor wenigen Tagen hatte sie diesem Abend entgegengefiebert, um Steven und all den anderen zu beweisen, dass sie nicht nur eine talentierte Bankerin war, sondern auch eine perfekte Gastgeberin. Und jetzt das!
    Ausgerechnet heute musste sie erfahren, wie anstrengend es sein konnte, mit einem Dauerlächeln jedem der Gäste genügend Aufmerksamkeit zu schenken, auch wenn sie die Gespräche langweilten. Meistens drehte sich alles nur um Klatsch und Tratsch, wer sich gerade scheiden ließ, seinen Partner betrog, oder um irgendwelche Wohltätigkeitsveranstaltungen von Promis. Daran musste sie sich wohl an Stevens Seite gewöhnen. In solchen Momenten zweifelte sie daran, ob sie dieses Leben auf Dauer glücklich machen konnte.
    Die Luft im Saal wurde immer heißer und stickiger, das Stimmengewirr schwoll an und verursachte ihr Kopfschmerzen. Tessa war todmüde,
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