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Natascha

Natascha

Titel: Natascha
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augen gezwinkert. Kleine Teufelchen sind's, die Pariserinnen. Auch dich werden sie müde kriegen, paß auf, Genosse!
    Ich bitte nun – was war? Nichts war, Genossen. Ein Autoverkehr wie überall in den Städten, Benzingestank und Hupengebell, hohe Häuser und weite Parks, Plätze und Gassen … nicht anders als in Moskau. Ja, und Weibchen waren da, sicherlich … auf den Champs-Elysées etwa oder dem Boulevard Haussmann, auf der Place de la Concorde und vor den Tuilerien … aber keine sah Luka an, und als er mit der Zunge schnalzte und winkte, sagten sie »Parbleu!« und liefen schneller.
    Enttäuscht ging Luka zum Hotel zurück. Dort traf er Doroguschin. In der Halle saß der Dicke und trank Cognac. Weiß war er im Gesicht, und zittern tat er, und zwei andere Männer saßen neben ihm und redeten auf ihn ein. Als sie Luka kommen sahen, sprangen sie auf und rannten ihm entgegen.
    »Entsetzlich!« heulte Doroguschin wie ein verwundeter Wolf. »Luka … geh hinauf! Hol sie herunter! Berede sie! Eine Dummheit ist's, was sie tut! Ein Skandal! Ganz Rußland wird blamiert! Hier, laß es dir sagen … das ist Genosse Alexei Igorowitsch Galjanow und der Genosse Fjodor Viktorowitsch Pleskow. Von der Botschaft sind sie! Und sie läßt sie nicht vor! Sie hat sich eingeschlossen! Sie hat mit dem Polizeipräfekten telefoniert, mit dem französischen Außenministerium! Verrückt ist sie! Total verrückt!«
    Luka verstand ihn nicht. Er sah zu Galjanow und Pleskow und dann zurück zu Doroguschin, der bebend an einer Säule lehnte.
    »Natascha?« fragte er. »Was ist mit ihr?«
    Galjanow winkte, als Doroguschin etwas sagen wollte. »Lassen Sie es mich erklären, Luka«, sagte er ruhig. »Die Genossin Natascha Tschugunowa hat einen kleinen Nervenzusammenbruch bekommen. Krank ist sie. Sie muß sofort in ärztliche Betreuung. Vor dem Hotel wartet unser Wagen. Wir werden sie in die Botschaft bringen und den besten Arzt herbeiholen. Sie müssen helfen, daß sie mitfährt.«
    »Natascha? Mein Täubchen?« Lukas Stimme schwoll an. »Krank ist sie? Krank?! Mein Vögelchen ist krank …?«
    Einem Bergsturz gleich überrannte er alles, was in seinen Weg trat … die Tische, die Stühle, drei harmlose, friedliche Gäste … auf geradem Wege, ohne Aufenthalt, jagte er zum Fahrstuhl, stieß den Boy in die Kabine und brüllte: »Zu Natascha, du Wurm! Zu Natascha!«
    Vor der Zimmertür hieb er mit der Faust dagegen und schrie: »Mach auf, mein Liebling. Niemand tut dir etwas! Mach auf …«
    Dann stand er im Zimmer. Natascha sah nicht krank aus, nur ihre Augen waren weit, und Luka sah, daß es Entsetzen war, das in der Tiefe glühte. Und Angst war es, so wilde Angst, daß er Natascha an sich zog, die Arme um sie schlang und sagte:
    »Luka ist da, mein Vögelchen. Luka ist da. Die Welt muß man auseinanderreißen, bis man dich bekommt.«
    »Sie haben ihn getötet«, sagte Natascha leise. »Einfach getötet. Erschossen haben sie ihn. Wegen Spionage –«
    »Wen?«
    »Luka Nikolajewitsch Sedow …« Sie drückte das Gesicht an seine Brust und schrie gegen diesen Berg aus Fleisch und Knochen: »Erschossen haben sie ihn, nur weil er bei mir war. Ein paar Stunden nur … Ich habe ihn getötet. Ich, Luka, ich! An seiner Liebe ist er gestorben. – Man hat ihn umgebracht!«
    »Woher weißt du das?« fragte Luka heiser.
    »Hier steht es … hier …« Natascha rannte zu einem Tisch. Eine Zeitung lag dort, eine russische Zeitung, die Emigranten in Paris herausgaben. »Lies es … lies!«
    »Vor einer Woche wurde, wie uns durch Freunde verraten wurde, der Ingenieur L. N. Sedow erschossen, wegen Verdachts der Spionage für den Westen. Bis zuletzt beteuerte er seine Unschuld. Wieder ein Opfer der Willkür, die in unserem armen Vaterlande herrscht …«
    Luka las es, sein dicker Kopf pendelte hin und her.
    »Es stimmt. Erschossen hat man ihn. Was willst du tun, Natascha!«
    »Ich habe es schon getan!« schrie sie grell. »Ich fahre nie, nie, nie mehr nach Rußland zurück. Ich bleibe hier, in Paris, in London, in New York … irgendwo … Überall ist es besser als in Rußland! Ich will nicht mehr, Luka … ich kann nicht mehr …«
    Luka sah sie an, wie sie auf dem Bett lag und weinte. »Nie mehr nach Rußland«, sagte er dumpf. »Täubchen … das geht doch nicht … das halten wir doch nicht aus … Ersticken werden wir am Heimweh –«
    »Ich nicht!« schrie Natascha wild. »Dreimal habe ich geliebt, und jede Liebe hat mir Rußland weggenommen! Ich hasse
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