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Natascha

Natascha

Titel: Natascha
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommst du! Zurück, du Riesenaffe!« drohte er.
    Von Rom fuhr man nach Athen. Kopfschüttelnd ging Luka durch die Akropolis, betrachtete die Tempelfriese und stand sinnend vor den Abbildungen nackter griechischer Jünglinge und Mädchen.
    »Die Welt ist rätselhaft, Natascha«, sagte er danach. »Und welch ein Land ist das! Männlein und Weibchen gehen nackt herum, aber zu faul sind sie, die Trümmer wegzuräumen! Ist das eine Organisation?«
    Sie kamen ins Hotel zurück.
    Gibt es Gespenster, Freunde? Bitte, lacht nicht … irgendwie kommt einmal der Augenblick, wo man denkt: Hui – es gibt sie doch! Mit Natascha, Luka und Doroguschin war es so, als sie die Halle des Hotels betraten und ihre Schlüssel verlangten.
    Eine Stimme klang hinter ihnen auf, ein Jubelruf, ein Freudenschrei.
    »Natascha, Liebes!«
    Vor ihnen stand Luka Nikolajewitsch Sedow. Oder war er's gar nicht? Luka riß den Mund auf, Natascha wurde bleich, und Doroguschin wagte es, zu sagen: »Ein Gespenst!«
    Jedoch es stellte sich heraus, daß es wirklich Sedow war, der gute, liebe, arme Sedow aus Jessey in Sibirien. An seine Brust riß er Natascha und herzte und küßte sie vor allen Leuten, und dann weinte er vor Freude, dieser große, starke Mann, und saß in einem Sessel und flennte wie ein Weib, dem man gesagt hat, es bekäme nun das vierzehnte Kind.
    Doroguschin sah Verwicklungen, kaum daß er voll begriff, hier könne etwas nicht normal sein. Luka schwieg, denn auch er empfand, daß dieses Wiedersehen unnatürlich sei.
    »Wo kommst du her?« fragte Natascha und hielt Sedows Hände umklammert. Wie alt er geworden ist, dachte sie traurig. Weiße Haare hat er, und Falten um die Stirn und die Augen. Sie hob die Hand und streichelte sein Gesicht, und es war Zärtlichkeit in ihren Fingern, von denen Sedow jahrelang geträumt hatte.
    »Ein Kongreß ist in Wien«, sagte er glücklich. »Ein Astronautenkongreß. Ich bin mit einer Delegation unseres Landes dort. Da las ich, daß du in Athen singst. Wien und Athen, dachte ich. So nahe bist du nie wieder deiner Natascha. Und so bin ich hierher geflogen, um dich zu sehen … nur einen Tag zu sehen … Ich liebe dich doch, Natascha, Täubchen –«
    Doroguschin nagte an der Unterlippe. Genauso ist's, dachte er. Einfach weggeflogen ist er, wie ein junger Adler, den der Himmel lockt. Und sie wissen nicht, wo er jetzt ist. O je, man wird dem guten Luka Nikolajewitsch Schwierigkeiten machen.
    »Man weiß, wo Sie sind?« fragte er völlig überflüssigerweise.
    »Nein, Genosse Doroguschin.«
    »Suchen wird man Sie.«
    »Gewiß!«
    »Sie haben sich keine Gedanken gemacht?«
    »Hier ist eine freie Welt, Genosse! Ich spüre diese Freiheit in mir! Morgen werde ich zurück sein … und dann wird es wieder Jahre dauern, bis mich Sibirien freigibt. Man sollte mir den einen Tag wohl gönnen! Nur einen Tag in Freiheit und Glück …«
    Doroguschin antwortete nicht. Ein armer Mensch, dachte er nur. Wenn ein dressierter Tiger ausbricht und die Freiheit riecht, erschießt man ihn, denn niemand wird ihn wieder durch die Reifen springen lassen. Ist's nicht genauso mit den Menschen? Es wird ein hartes Brot sein, das man Sedow vorsetzt.
    Jedoch er sagte nichts davon. Nur rief er an in Wien und beruhigte die Genossen von der Astronautik, die schon in Moskau zitternd angeläutet hatten: Genosse Sedow ist geflüchtet. Verrat!
    Am Abend sang Natascha Tschugunowa in der Athener Oper die Leonore in Verdis Troubadour. Wie sinnreich, dachte Doroguschin hinter der Bühne. Ein Liebender, ein Kampf gegen Tyrannen, eine Kerkerszene und ein Tod durch Bruderhand … Hör zu, Genosse Sedow … wenig Verständnis hat die Neuzeit für einen Troubadour.
    In der Nacht noch flog Sedow zurück nach Wien. Natascha und Luka brachten ihn zum Flugzeug, und im Licht der Scheinwerfer, die die Startbahn erleuchteten, sahen sie, wie er durch das kleine runde Fenster winkte. Immerfort, mit beiden Händen, ein kleiner, armer Mensch, der ein Zipfelchen des Glückes festgehalten hatte.
    »Ich liebe dich«, hatte er beim Abschied gesagt. Und er sagte es, als ob es das letztemal sei, so etwas zu gestehen. »Ich werde dich immer lieben, Natascha … mehr als den eigenen Atem –«
    Nun flog er zurück nach Wien, und Natascha winkte noch, als das Flugzeug längst in der Nacht verschwunden war.
    Paris hatte sich Luka anders vorgestellt. Wer tut das nicht, bevor er nicht selbst in Paris gewesen ist? An jeder Ecke ein heißes Weibchen, hatte man ihm gesagt und mit den
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