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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Autoren: Anni Bürkl
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ursprünglich dort hin?« Selene lehnte sich zurück und griff nach einer Tasse. Spade schnurrte.
    Jonas räusperte sich. »Es fing damit an, dass Bonifaz Stettin einen Sohn hatte. Mit einer Prostituierten. Das war zu einer Zeit, als Weißrussland noch zur Sowjetunion gehörte. 1983 war Stettin als Priester dort eingesetzt. Übrigens, nachdem er aus dem Chor von Sankt Kilian ausgeschieden war. Sieht so aus, als hätte dort doch jemand was von seinen Übergriffen erfahren, wollte ihn aber nur auf ein Abstellgleis schieben, ohne Aufsehen zu erregen.«
    »Typisch Kirche!«, schimpfte Selene.
    »Leider, ja. Eine Anzeigepflicht gibt es nicht, außer es handelt sich um eine Schule. Man überlässt diese Entscheidung dem Opfer, nur wenn das Opfer es will, wird Anzeige erhoben. Wie man weiß, würden viele der Betroffenen einen Prozess nicht leicht durchstehen …«
    »Das Problem kennt man von Prozessen gegen Vergewaltiger«, warf Berenike ein.
    »Stimmt.« Jonas runzelte kurz die Brauen. »Jedenfalls … Stettins Sohn heißt Mirhan. Pfarrer Stettin wollte ihn unbedingt aus der Armut retten und nach Österreich holen. Das hat er auch geschafft. Der Junge sieht fast aus wie ein Einheimischer, wenn du es so nennen willst – kühle blaue Augen … helle Haare …«
    »War es Mirhan, der mich angegriffen hat?« Berenike schluckte bei der Erinnerung an jene Momente, Sekunden, in denen sie geglaubt hatte, ersticken zu müssen. Doch sie wusste, wenn sie sich der Sache jetzt nicht stellte, würde sie es womöglich nie mehr tun.
    »Er war es, der dich gewürgt hat.«
    »Steckte er unter der Ziegenbock-Verkleidung, die du erwähnt hast, Berry?«, fragte Selene. »Das muss furchtbar hässlich ausgesehen haben.«
    »Nein«, antwortete Jonas und spielte mit der Teetasse.
    »Dabei hatte Ariane recht, der Pfarrer hat wirklich genau dieselbe schleimige Sprechweise, diesen süßlichen Ton.«
    Zögernd kostete Jonas von dem Tee. »Na, mein Lieblingstee wird das nicht gerade.«
    »Oh, ich find den recht erfrischend«, meinte Selene.
    Jonas stellte die Tasse klirrend ab. »Meine Kollegen haben Mirhan auf frischer Tat ertappt. Er hat Ariane im Schnee eingraben wollen.«
    »Wie schrecklich!«
    »Deshalb hat sie nicht geantwortet, als ich sie um Hilfe gerufen hab.«
    »Mittlerweile hat Mirhan ein Geständnis abgelegt. Hinter den Taten steckt seine furchtbare Angst davor, die Geborgenheit und Wärme seines Zuhauses hier zu verlieren. Dabei wäre es irrelevant gewesen, er hätte weiter dort gewohnt, auch wenn man Bonifaz Stettins sexuelle Übergriffe aufdeckt hätte. Der Pfarrer muss ihn in der Hinsicht eingeschüchtert haben. Mirhan hat von Arianes Recherchen erfahren.«
    »Dann war also er eine der seltsamen Gestalten, die Arianes Nachbar beobachtet hat.«
    »Wahrscheinlich. Hier kennt ja jeder jeden. Alles spricht sich herum.«
    »So wie die Veranlagung Stettins. Alle haben es gewusst.«
    »Wenn nur die Erwachsenen mehr auf die Warnhinweise achten würden«, fuhr Selene, die sonst so Sanfte, wütend dazwischen.
    »Mirhan fand, dass die Opfer die Gemeinschaft verraten haben. Deshalb sollten sie in der Eiseskälte sterben. Die Kälte war für ihn ein Symbol, sozusagen die Strafe. Er hatte zwei Komplizen, ebenfalls Burschen aus dem Waisenhaus. Einer ist ein junger Mann, Ion Adamovich, der wie er aus Weißrussland stammt. Dem hat Stettin einen Job im Bertram Verlag zugeschanzt und ihn Johann umgetauft.«
    »Ach. Das ist nicht zufällig so ein militärisch aussehender Typ?«
    »Doch. Kurzer blonder Bürstenhaarschnitt, harte graue Augen.«
    »Der Vorzimmer-Heini …«
    »Du kennst ihn?«
    »Ja ich …«
    »Du hast also doch mehr ermittelt, als du zugegeben hast, was?« Jonas spielte unruhig mit der Teetasse, ohne sie anzublicken.
    »Ähm.«
    »Schon gut, Nike. Der andere Komplize von diesem Mirhan heißt Jan Stöckl und ist ein junger Bergarbeiter. Stöckl wird wohl dich, Berenike, und Ariane im Stollen gefangen gehalten haben, weil ihr beide für den Geschmack der Mörder zu sehr herumgeschnüffelt habt.«
    »Auch hier die Kälte. Nur Mara haben sie angeschossen«, meinte Berenike und wickelte die Decke enger um ihren Körper.
    »Das war nicht ihr Plan, nur Notwehr aus Angst, entdeckt zu werden.«
    »Wie geht es deiner Kollegin?«
    »Sie hat Glück gehabt und trug eine schusssichere Weste. Es war der Schock, dass sie dermaßen umgefallen ist.«
    »Das wird ihr aber nicht gefallen, so wie ich sie kenne.«
    »Nein, sie hadert eh damit.« Jonas
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