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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis
Autoren: Jeet Thayil
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Zwanghaftigkeit ihn drängte, sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen, drehte sich in seiner Botschaft doch alles um Gottes bedingungslose Liebe, ganz unabhängig von jeglicher gesellschaftlichen Stellung?«, nur welche Antwort hätte ich geben können, da er keine erwartete und schon vor sich hinnickte, während ich der Frau zusah, Dimple zusah, und irgendwas an der unaufgeregten Art, wie sie die Pfeife zubereitete, mich besänftigte, wie sie die Kochnadel in die winzige Messing-Pyali mit flachem Rand tunkte, die Pyali fingerhutgroß, bis obenhin mit Melasse gefüllt, einer Flüssigkeit in Farbe und Konsistenz wie Öl, und sie rollte die Nadelspitze in Opium, hob es an die Flamme, ließ es brodeln und hart werden und wiederholte die Prozedur, bis sie einen Klumpen von der Größe und der Farbe einer Walnuss hatte, pochte mit der Nadel gegen den Pfeifenschaft, um mir zu verstehen zu geben, dass meine Portion fertig war, was sie auch war, nur war die Pfeife zu lang, ich fand sie zu schwer, sogar als ich daran saugte, während Dimple den Pfeifenkopf in die Flamme hielt, war mir das Mundstück zu groß, der Geschmack zu herb, weshalb, als die Pfeife verstopfte, Dimple sie forsch wieder an sich nahm, um noch einmal mit der Nadel zu helfen und auf Englisch zu sagen: »Rauch, zieh fester«, woraufhin Rashid ergänzte: »Nimm dir ein Beispiel an Dimple, sie zeigt’s dir«, und das tat sie, warf ihr Haar aus den Augen, brachte die Pfeife gekonnt und elegant an die Lippen, nahm einen langen, perfekten Zug, der Rauch schien zu verschwinden, und als sie die Pfeife zurückgab, war ich mir sehr bewusst, dass sie in ihrem Mund gewesen war, während Dimple sagte: »Zieh tief und fest und zieh immer weiter, hör nicht auf, denn wenn du aufhörst, verbrennt das Opium, und mit verbranntem Opium kann man nichts anfangen, das kann man nur wegwerfen, also zieh, bis du nicht mehr ziehen kannst«, und ich in meiner Unwissenheit fragte: »Nehm ich einen einzigen langen Zug?«, »Kannst du, aber dann musst du den Rauch in deiner Lunge behalten. Besser sind kurze Züge.« »Wie lang halt ich die Luft an?« »So viele Fragen. Hängt davon ab, wie viel
Nasha
du willst. Halt den Rauch in dir, solang du willst, aber steck nicht die ganze Pfeife in den Mund, das ist unhöflich«, woraufhin ich »Tut mir leid« sagte, hastig die Pfeife aus dem Mund nahm und sie behutsam wieder an die Lippen führte, sie sorgsam ansetzte, mir Zeit ließ und verstand, dass es bei Opium vor allem auf die Etikette ankam, auf ein Rhythmusgefühl, das sich um den Mund konzentriert und darauf, wie man die Pfeife in Relation zum Körper hält, lunare Ebben und Fluten von Rauch, der erst die Lunge füllt, dann die Adern, und kaum blickte ich auf, lächelte sie, Bengali ebenso, und Rashid sagte: »Hier heißt es, man solle nur seinen schlimmsten Feind mit dem Opium bekannt machen, also ist Dimple vielleicht deine schlimmste Feindin«, und ich dachte, ja, vielleicht ist sie’s aber auch nicht, vielleicht ist Ich es, vielleicht ist das Opium das Ich, und das Ich ist unzuverlässig, mein Gedächtnis wie Löschpapier, mein durchlöchertes, poröses, zerschreddertes Ungedächtnis, das sich an Einzelheiten von vor dreißig Jahren erinnert, für das der heutige Morgen aber eine Leerstelle bleibt, und wenn Gedächtnis = Schmerz = Menschsein, dann bin ich kein Mensch, dann bin ich die Pfeife Opium, die diese Geschichte im Verlauf einer einzigen Nacht erzählt, und ich, womit nun das andere Ich gemeint ist, ich schreibe sie bloß auf, unverändert übertragen vom Mundstück der Pfeife, derselben Pfeife übrigens, die Dimple mir beim ersten Mal gemacht hat, nur ist das eine andere Geschichte, eine für später – okay, los geht’s, jetzt kommen wir zum besten Teil, den Träumen, die keine Träume sind, sondern Gespräche, Heimsuchungen abwesender Freunde, eine lärmende Prozession hinter deinen geschlossenen Augenlidern, deinen wachen, träumenden Augen, und nur manchmal weckt dich eine Stimme, die eigene Stimme, die mit jemandem redet, der nicht da ist, denn du bist allein, liegst auf dem Rücken, segelst über das Opiummeer, nein, diesmal verzichte ich, mir geht’s prima, prächtig sogar – dasselbe Ich, dem, als man mich ins Gefängnis steckte, auffiel, dass die Zelle kaum kleiner als das Zimmer war, in dem ich damals in der Upper East Side wohnte, als man mich erwischte, wie ich Dope kaufte, total auf Downers, woraufhin der weiße Cop seine Waffe zog, mich durch die
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