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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis
Autoren: Jeet Thayil
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von überall her, neu oder gebraucht, verscherbelt oder fortgegeben, heruntergehandelt, fast umsonst, ich wusste, dass sie es war, ließ aber nicht anhalten, obwohl das Taxi nun hinter einem Jeep herkroch, auf dem GOVERNAMENT OF INDIA stand, und als der Fahrer das Rashid’s anhand der Adresse ausfindig machte, die ich ihm gegeben hatte, nahm er an, ich wolle zu den Käfigen, den billigsten Zimmern der Straße, wo die Frauen fünf Rupien und aufwärts kosten, weshalb er auf die Häuser mit außen an die Blumenkästen gemalten Nummern zeigte und sagte: »Nummerhäuser sind besser«, zu den Straßenhuren hinübernickte, zu den Frauen in den Käfigen, und sagte »die sind dreckig«, während ich aus dem Taxi ins Chaos stieg, weil ein Büffelkarren zusammengebrochen war, und rasch eine Menge zusammenströmte, um das Tier zu beglotzen, das auf der schmalen Straße kniete und den Fuhrmann, der darauf eindrosch in scharf und methodisch aufflackernder Wut, ansonsten aber ruhig wirkte, weder fluchte noch schwitzte, der die Peitsche auf und nieder schwang, auf und nieder, derweil in Sägemehl gehüllte und säuberlich geordnete Eisplatten auf dem Karren dahinschmolzen und überall die Armen warteten, die Verstörten, und zusahen, wie ich es gleichfalls tat, ehe ich die Stufen zum ersten Stock hinaufeilte, der Adresse, die mir genannt worden war, um dann im Eingang stehenzubleiben und den Anblick in mich aufzunehmen, den Geruch nach Melasse, Schlaf und Krankheit, die Frau an der Pfeife, die mit langer Nadel das Opium kochte und deren Hand sich bewegte, als würde sie stricken, einige Raucher auf hölzernen Pritschen, ein über einen Ofen gebeugter alter Mann, der blubberndes Opium inhalierte, und alles, was in diesem Raum passierte, geschah auf dem Boden, Schlafmatten und Kissen ausgebreitet oder zusammengefaltet, ein Kalender an der Wand mit dem Foto einer Moschee – hör zu, warte kurz und zünde noch einmal an oder lass mich es machen, ja, ach ja, so ist’s gut, wunderbar, welch herrliche Meditation, nein, mehr als eine Meditation, eine Glückseligkeit, die es der Ruhe erlaubt, den Geist zu umfangen, und die das Tempo erträglich werden lässt, ja, wie schön – und nun, in derselben Stadt, nur ein Leben später, da sind wir, Ich und Ich, was nicht nach Rastafari-Manier
wir
heißen, sondern nur die beiden Ich-Maschinen trennen soll, den Mensch und die Pfeife, das Wer und das Wer, beim Erzählen dieser Geschichte aus lang vergangener Zeit, als ich eine Pyali rauchte und mir den ganzen Tag schlecht war, mein erstes Mal auf der Shuklaji Street, neu auf der Straße, neu in der Stadt, fremd, weil ich mich nicht auskannte, fremd in der Hektik menschlicher Geschäfte auf den Gehwegen und in den Läden, wusste ich doch, mir fehlten die Fähigkeiten, der Schritt zu langsam, die Aufmerksamkeit aufs Falsche gerichtet, da ich im Kopf nicht ganz da war und dieses Teilweise, diese nur halb anwesende Abwesenheit, war meinem Gesicht anzumerken, Leute schauten mich an und sahen Jetlag, erkannten einen spirituellen Mangel, und so ging ich zu Rashid, legte den Kopf auf ein Holzkissen, streckte mich lang aus und versuchte, es mir bequem zu machen, als ich überrascht merkte, dass der Alte, der nickend überm Kochtopf stand, Englisch redete und sich in der Sprache eines todbesessenen, religionsversessenen Landes lebender Heiliger an mich wendete, um zu fragen, ob ich ein Christ aus Syrien sei, da ihm mein koptisches Kreuz um den Hals aufgefallen war und er wusste, Katholiken würden diese Art Kreuz niemals tragen; natürlich hatte er recht, ich war syrischer Christ, ein Jakobit, um die unterste der Untersekten genau zu benennen – ach, so gut, dieser Rauch, der letzte Zug von der letzten Pfeife in der letzten Nacht dieser Welt – der Alte, der Bengali hieß, sagte: »Tja, wenn das so ist, kannst du mir vielleicht eine Frage beantworten, die mich schon lange beschäftigt, ich meine, die besondere Art und Weise, in der das Christentum in Kerala Fuß gefasst hat, und wie sich die Hindi in Kerala nicht dem Christentum, sondern sie das Christentum sich selbst angepasst haben, mitsamt den alten Einteilungen in Kasten, und – dies ist nun meine Frage – hätte Jesus ein in Kasten unterteilendes Christentum gebilligt, wo doch sein ganzes Projekt darauf hinauslief, derlei abzuschaffen, ein Mann, der sich mit den Armen verbrüderte, mit Fischern, Leprakranken und Prostituierten, den Siechen, Sterbenden und mit Frauen, ein Mann, dessen Wahn- und
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