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Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Titel: Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
Autoren: Rachel Cohn
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Zwei-Personen-Welt, die nur für uns geschaffen war.
    Über all das denke ich nach, während ich zu Bruce gehe, und ich komme zu dem Schluss, dass wir uns noch so sehr anstrengen können, es wird sich immer so anfühlen, als würden wir alle verschiedene Sprachen sprechen. Selbst wenn wir dieselben Wörter benutzen, kann die Bedeutung eine andere sein. Und der Fehler liegt nicht darin, verschiedene Sprachen zu sprechen, der Irrtum liegt darin, diese Tatsache zu verkennen. Ich dachte immer, Naomi und ich hätten unsere Wörter und die Bedeutungen perfekt aufeinander abgestimmt. Aber das ist einfach nicht möglich. Es gibt immer Bedeutungen, die voneinander abweichen, Wörter, die anders verstanden werden, als sie gesagt wurden. Es gibt keinen vollkommenen Gleichklang verwandter Seelen... und wer hätte auf so was auch Lust? Ich möchte jedenfalls keine halbe oder geteilte Seele sein. Ich will meine eigene verdammte Seele haben. Und zwar ganz.
    Ich glaube, ich lerne gerade, das Wörtchen nahe zu würdigen. Denn das sind Naomi und ich. Wir sind uns nahe. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht identisch. Keine Seelenverwandten. Aber nahe. Denn mehr kann man bei einem anderen Menschen nicht erreichen, als einander sehr, sehr nahe zu sein.
    Das will ich mit Bruce auch.
    Ich will ihm nahe sein.
    Es ist unsinnig, Freundschaft und Liebe für zwei getrennte Dinge zu halten. Das sind sie nicht. Freundschaft und Liebe sind beides Varianten von Liebe. Immer steckt dahinter der Wunsch, einander nahe zu sein.
    Robin und Robin kommen herunter, um mich ins Wohnheim reinzulassen - ich möchte mich bei Bruce durch ein Klopfen an seiner Tür und nicht durch ein Summen in der Gegensprechanlage ankündigen.
    Robin und Robin streiten gerade darüber, was Bill Murray wohl am Ende von »Lost in Translation« Scarlett Johansson zuflüstert. Es ist eines dieser Paargefechte, wo man das Gefühl hat, dass beide es total geil finden, selbst wenn sie sich bis aufs Messer streiten. Muss Spaß machen, wenn man drinsteckt, aber für alle anderen ringsum ist es die Hölle.
    Ich entwische ihnen und schleiche durch die Gänge, bis ich vor der Tür von Bruce stehe. Ich bin so aufgeregt, dass ich sogar darüber nachdenke, wie ich anklopfen soll. Ein freundliches Pochen? Ein enthusiastisches Trommeln? Der Rhythmus eines Abzählreims?
    Ich entscheide mich für das freundliche Klopfen. Sein »Wer ist da?« lässt mich noch nervöser werden.
    »Ich bin es«, sage ich. »Dein verlorener Freund.«
    Die Tür öffnet sich und Bruce blickt auf meinen Anzug, mein ängstliches Lächeln. Ich blicke auf... seine Ichbleibe-heute-Abend-zu-Hause-Klamotten. Ausgewaschenes grünes T-Shirt, abgetragene Jeans.
    Hör auf, seinen Stil zu beurteilen. Hör auf, seinen Stil zu beurteilen. Hör auf, seinen Stil zu beurteilen.
    »Hallo«, sagt er, und ich höre an seiner Stimme, dass ich hier nicht der Einzige bin, der nervös ist.
    Ich glaube, ich bin nie über die Was-zieh-ich-denn-anFrage hinausgekommen, denn ich stehe da wie ein Volltrottel, blöder geht’s nicht mehr.
    Und das ist der Augenblick, in dem sich alles in ein Musical verwandelt. Natürlich nicht wirklich. Nicht als ob ein Orchester zu spielen angefangen hätte oder Bruce und ich plötzlich singen. Aber ich erkenne diesen Augenblick wieder: Es ist der Augenblick, in dem der Handelsreisende der schüchternen Buchhändlerin seine Liebe erklärt. Sie glaubt ihm nicht. Er muss es ihr beweisen. Sie sind füreinander bestimmt - das spüren sie beide -, aber nur einer von beiden glaubt daran. Es ist höchste Zeit, dass etwas passiert, auch wenn es nicht einfach ist. Es ist Zeit, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit als Überzeugungsmittel einzusetzen. Das spüre ich.
    Sobald ich im Zimmer bin, sobald die Tür sich hinter mir schließt, singe ich ihm die Wahrheit. Die Worte strömen aus mir heraus, und obwohl die Musikbegleitung fehlt, gibt es doch eine Melodie. Ich sage ihm, dass ich ihn vermisst habe. Ich sage ihm, dass ich nicht verstehe, was ich falsch gemacht habe und warum er auf einmal verschwunden ist, aber was auch immer es war, ich werde alles tun, damit es nicht noch einmal passiert. Ich sage ihm, dass ich weiß, ich bin nicht gut genug für ihn. Dass ich ein unzuverlässiger Junge bin, der immer dann versagt, wenn ihm etwas wirklich wichtig ist. Das ist meine Sprache. So kann ich ihm sagen, was ich ihm sagen muss. Weil ich plötzlich mitten in einem Musical bin.
    Ich sage nicht: »Ich hab mich in dich verliebt«,
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