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Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Titel: Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
Autoren: Rachel Cohn
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eigenen Eltern. Und wenn er jetzt immer neue Jungs zum Übernachten mit nach Hause bringen darf oder die ganze Nacht ausgehen darf, ohne sich von seinen Müttern Vorwürfe anhören zu müssen, dann nicht, weil er inzwischen an der Uni ist oder die beiden viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um das überhaupt zu bemerken. Nein. Es ist deswegen, weil er dafür die Voraussetzungen geschaffen - nein, sie sich erkämpft hat -, als er noch in der Schule war. Diese Freiheit, die er viel zu früh hatte, ist der Preis, den seine Mütter für das Chaos bezahlen, das seine und meine Eltern in der Zeit damals veranstaltet haben. Er ist zu früh erwachsen geworden. Wir sind beide zu früh erwachsen geworden. Wir haben es nur auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Ely wurde ein F&R-Boy. Ich habe die Flucht in die Fantasie gewählt.
    Ich kann nicht länger ausblenden, dass das alles so ist. Dass Ely schon immer mit ganz vielen Jungs unterwegs war... und mit ihren Gefühlen gespielt hat. Keiner hat es bisher geschafft, zu bleiben. Erst als er meinen Freund gestohlen hat. Da bin ich aufgewacht.
    »Ich bin nicht schwanger«, antworte ich meiner Mutter.
    »Mist«, murmelt sie. Doch wenigstens steht sie jetzt auf. Sie verlässt tatsächlich das Bett.
    »Was machst du?«, frage ich sie.
    Sie greift nach dem Telefon. »Wir brauchen beide Hilfe.«
    Hier ist die große?, die ich gern einem Therapeuten stellen würde: Können wir ohne unsere Fantasien leben und trotzdem hoffen, ein gutes und glückliches Leben zu führen? Dafür gibt es keine Pille, so ist es doch. (Ohne Fragezeichen.)
    Mom würde Dad nicht mehr zurücknehmen. Aber es stimmt. Ich würde - sollte - Ely wieder zurücknehmen.
    Er hat nichts Falsches getan, außer dass er eben so ist, wie er ist.
    Ich liebe Ely so, wie er ist.
    Ich hasse es, dass ich jetzt wahrscheinlich auf Ely zugehen muss, anstatt zu warten, dass er den ersten Schritt macht. Dass er die Dinge für mich regelt, wie er es früher so oft getan hat. Aber so weit bin ich noch nicht. Einen Schritt nach dem anderen.
    Ich hab es zwar geschafft, Mom aus dem Bett und in Bewegung zu kriegen, aber für

    sehe ich immer noch keinen Ausweg aus dem Labyrinth.
    Ich habe aber auch nicht das Gefühl, dass wir in der Falle sitzen.

Ely
    VERSTECK
    Ich warte auf sie in der Ecke im Treppenhaus. Sechster Stock. Unsere heilige Freundschaftsstätte. Vorortkinder haben ihre Luxusbaumhäuser, wir wohnen in Manhattan, deshalb mussten wir uns unsere eigenen Orte schaffen. Die Ecke im Treppenhaus, sechster Stock, gehörte uns. Wir mochten das unruhige Flackern und Summen der Leuchtstoffröhre über uns. Hier haben wir endlos lange Mensch ärgere dich nicht!, Rummikub, Äpfel zu Äpfeln und unsere spezielle Variante von Trivial Pursuit gespielt, mit neuen Kategorien und eigenen Fragen, die sich ausschließlich um das Apartmenthaus und seine Bewohner gedreht haben. Wir haben sogar unsere Bilder aus dem Kunstunterricht im Treppenhaus aufgehängt. Als wir älter waren, haben wir den Treppenabsatz als Bühne benutzt und dort unser Disco-Musical aufgeführt. Ich hab das Bühnenbild gemacht und Naomi hat sich um die Rollen gekümmert - ich weiß noch, sie hieß Lavendel und ich Butterkeks. (Diese Erinnerung sollte schleunigst verdrängt und entsorgt werden. Unser Musical war natürlich großartig, aber Butterkeks ? Habe ich dieser angeberischen Domina wirklich erlaubt, mich Butterkeks zu nennen?) Später haben wir uns hierher in unser Allerheiligstes geflüchtet, wenn unsere Eltern sich gestritten haben. Und wir haben hier unsere erste No Kiss List geschrieben und auswendig gelernt, bevor wir sie in tausend Stücke zerfetzt haben.
    Auf dem Fleck, auf dem ich jetzt stehe, habe ich ihr offiziell erklärt, dass ich schwul bin. Wir waren fünfzehn, und ich hab es ihr gesagt, obwohl wir es beide schon wussten. Ich hab dafür extra die Stelle gewählt, an der wir einmal unsere Namen in die Wand gekratzt hatten.
    Ich stehe jetzt davor und starre sie an. Unsere Kritzelei von damals, als wir zwölf waren, ist immer noch da:

    Ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob sie mich hier finden wird. Ich hab sie nicht angerufen. Ich hab ihr keine SMS geschickt. Ich vertraue auf unsere alte Verbundenheit, den sechsten Sinn unserer Freundschaft.
    Oder wie Naomi immer gesagt hat: Das Leben lehrt dich, den Aufzug zu nehmen, aber die Liebe lehrt dich, die Treppen hochzusteigen.
    Darauf zähle ich. Darauf zähle ich jetzt schon beinahe eine Stunde
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