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Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Titel: Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
Autoren: Rachel Cohn
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würden heiraten, einund einkaufen und einbekommen. Wir würden eine Familie wie aus demsein und uns um keines der Hindernisse, die sich unüberwindlich vor uns auftürmen, kümmern. La-la-la, Ely ist schwul; la-la-la und ha-ha-ha, Naomi ist in die uralte Falle getappt, jemanden zu lieben, der sie nie auf die gleiche Weise zurücklieben wird. Naomi & Ely sind in dem immergleichen alten Programm stecken geblieben, weil die Erwartung ihnen das so vorgegaukelt hat. Ihr habt verdient, dass man euch auslacht, ihr Narren.
    Eine solche Erwartung muss auch Mom daran hindern, loszulassen. Ich meine, ich glaube nicht, dass sie ernsthaft hofft, Dad würde eines Tages in unser Apartment hereinspazieren, und alles wäre wieder wie früher. Wir würden ihn nicht mehr zurückhaben wollen, selbst wenn er das wollte. Doch wir leben immer noch in dieser Wohnung, in der all die schmerzhaften Erinnerungen nicht als Gespenster, sondern als Nachbarn hausen. Es ist keine Fantasie oder eine Fata Morgana: Sie sind da. Die Fotos von Dad, Mom und mir als glückliche Familie stehen immer noch herum, seine Anzüge hängen immer noch in seinem Schrank, sogar seine Post kommt noch zu uns. Es ist, als hätte er uns verlassen, und seither würde die Zeit stillstehen. Wir haben weitergelebt, aber nur weil wir mussten. Die Wohnung ist immer noch dieselbe (bis auf das Stück Wohnzimmerwand, das Mom zertrümmert hat, als sie noch wütend und nicht ganz betäubt war von ihrem Schmerz), aber das Innere, das wir nicht sehen wollen, die Leere, die wir nicht bemerken wollen - denn wie könnten wir, die Spuren von Dads Anwesenheit sind ja immer noch da, direkt vor unseren Augen -, haben uns bei lebendigem Leib aufgegessen.
    Es ist, als würde Mom irgendwie darauf hoffen, dass durch einen Zaubertrank alles für immer so bleiben kann, wie es ist, als würde die Lüge, in der wir leben, einfach fortdauern können; und um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen, schläft sie lieber.
    Ich wecke sie auf, indem ich ihr Evian ins Gesicht spritze. Diese Methode ist nicht nur sanft und freundlich, sondern auch gut für unsere Schneewittchenhaut. Jede Frauenzeitschrift bestätigt das.
    Ihre Lider flattern auf, und der Blick aus ihren haselnussbraunen Augen, mit dem sie mich wütend und liebevoll anblitzt, erinnert mich daran, wie ähnlich Mom und ich uns sehen. Ely hat mich immer beneidet, weil ich meine Mom nur anzuschauen brauche, und dann weiß ich genau, woher ich komme. Er sieht niemand aus seiner Familie ähnlich, soweit er sie kennt. Es hat mir immer gefallen, dass Ely mich um dieses Gesicht, das ich mit meiner Mom teile, beneidet. Doch wie in allen anderen Dingen hat er mich auch im Neid-Wettbewerb übertroffen. Er hat vielleicht ein rätselhaftes, fremdes Gesicht, aber er hat dafür eine intakte Familie, die ihre Krise bewältigt hat, statt auseinanderzubrechen. Eine Familie, die überlebt und weitermacht, ist in meinen Augen ein wirklicher Grund, neidisch zu sein. Dahinter steckt Arbeit. Ein hübsches Gesicht, das man von seiner Mutter geerbt hat? Nur eine Gabe der Natur.
    »Was machst du da, Naomi?«, murmelt Mom. Sie schließt die Augen wieder und dreht sich um, weg von mir. »Wenn du nicht >Oprah< angucken willst, dann geh.«
    Ich hüpfe auf die andere Seite des Bettes. Und spritze wieder mit Wasser, in ihr Gesicht, auf ihre Haare, ihre Arme, ihr...
    »NAOMI! WAS SOLL DAS?«
    Sie ist jetzt wütend, aber ich lächle sie an und umarme sie. Kein Grund, so zu schreien. »Wach auf, Mom«, sage ich leise.
    Sie umarmt mich auch, drückt mich fest an sich. »Ich bin wach«, flüstert sie mir ins Ohr. Dann greift sie nach der Evian-Flasche und spritzt mir etwas davon ins Gesicht.
    »Fühlt sich gut an«, sage ich. »Erfrischend.«
    »Naomi.«
    »Ja?«
    »Naomi, was treibst du hier?« Mom wartet meine Antwort nicht ab. Sie streckt die Hand nach der Fernbedienung aus. Ich nehme sie ihr weg, bevor Oprah meine Anstrengungen zunichtemacht. Ich will Mom aus dem Bett bekommen, damit sie sich mit ihren eigenen Problemen auseinandersetzt, anstatt sich bei Oprah die Probleme irgendwelcher anderer Leute reinzuziehen.
    Ich richte mich auf und hopse auf der Matratze herum, hoch und runter, hoch und runter. »STEH AUF STEH AUF STEH AUF!« Ich singe die Wörter, aber erst als ich damit aufgehört habe, wird mir klar, was ich da gerade aufgeführt habe; dass ich das Sonntagmorgenritual, als wir noch klein waren, wiederholt habe. Mom, mach uns endlich Frühstück!
    »Ely«,
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